Essen. Wenn die Eltern berufstätig sind, erfordern die Schulferien oft Management-Talent. Wohin mit den Kindern in den Ferien? Beliebt sind Freizeiten - vom Reiterurlaub bis hin zum Party-Camp. Die Nachfrage bei Kinder- und Jugendreisen ist nach Angaben der Veranstalter"exorbitant" gestiegen.

Sechs Wochen Ferien... ein Traum! Für Schulkinder auf jeden Fall. Vielen Eltern, sofern beide berufstätig sind, verlangen diese Wochen jedoch wahres Management-Talent ab. Denn wer kann sich schon sechs Wochen Urlaub nehmen? Nach zwei, drei Wochen Familienurlaub heißt es deshalb meist: Wohin mit dem Kind? Wo hat es Spaß, ist es gut versorgt? Fragen, die Ferienfreizeiten aller Art boomen lassen. Vom städtischen Ferienspatz über den Reiterurlaub bis hin zum Party-Camp im spanischen Lloret de Mar.

Eltern sind auf Betreuung angewiesen

Kinder beim Ferienspaß in Wattenscheid. Foto: Kimerlis
Kinder beim Ferienspaß in Wattenscheid. Foto: Kimerlis © WAZ

Ihren Taschenkalender in der Hand, kam die Frau ins Büro des Essener „Ferienspatzes” und verglich akribisch ihre Daten mit dem Programm. „Sie hatte sich notiert, an welchen Tagen sie dringend Betreuung für ihre Kinder brauchte. So etwas erleben wir immer häufiger”, sagt Anne Ratschmeier, die Koordinatorin des Essener Ferienspatzes. Ganz viele Eltern seien inzwischen darauf angewiesen, ihre Kinder in den Ferien unterzubringen. „An dem Tag, an dem wir unser Büro öffnen, stehen die oft schon Schlange vor der Tür”, so die Mitarbeiterin des Essener Jugendamtes.

Sechs Wochen im Sommer, zwei im Herbst, zu Weihnachten und Ostern. Längst haben berufstätige Eltern begonnnen, sich aufzuteilen. Er nimmt eine Woche im Herbst, sie die Zeit rund um Weihnachten. „Ein Riesenproblem ist das”, sagt Elke Ostendorf vom Verband berufstätiger Mütter. Häufig wechselten sich die Eltern ab, weil es gerade für kleinere Kinder an guten und verlässlichen Angeboten mangele.

Eine Woche bei den Großeltern

Ostendorf, selbst Mutter eines zehnjährigen Sohnes, geht es da nicht anders. Nach drei Wochen Familienurlaub wird ihr Kind auch in diesem Sommer wieder eine Woche bei den Großeltern verbringen und eine weitere in einem Waldcamp, das ihre Heimatstadt Stuttgart anbietet. „Man hangelt sich so durch”, sagt Elke Ostendorf.

Bei Ruf-Reisen, einem der größten Kinder- und Jugendreisen-Anbieter in Deutschland macht sich diese Entwicklung in harten Zahlen bemerkbar. Um 120 Prozent sei die Nachfrage nach Camp-, Club- und Hotelreisen in den letzten drei Jahren angestiegen. „Exorbitant!”, wie Ruf-Sprecher Jan Saarmann bestätigt. „Und es lässt sich feststellen, dass die Kinder, die mit uns reisen, immer jünger sind. Sie sind selbstständiger als früher”, so Saarmann.

Immer jünger, immer öfter und – wenn sie älter sind – auch immer weiter. So bietet Ruf neuerdings für ältere Jugendliche auch Reisen in die USA und nach Thailand an. Aber auch beim Jugendherbergswerk hat man den Trend zu „immer jünger” längst registriert. „Kinder- und Jugendfreizeiten nehmen bei uns stark zu”, sagt Barbara Meyer vom Jugendherbergswerk, das neben den klassischen Übernachtungen in seinen Häusern längst ein pralles Angebot betreuter Ferienfreizeiten anbietet. Vom Segeln in der Nordsee über Klettern im Allgäu bis hin zu Ritter-Wochen auf diversen deutschen Burgen. „Unsere Jugendherbergen sind ja über ganz Deutschland verteilt, und gerade bei den kleineren Kindern ist es den Eltern wichtig, dass sie nicht jottwede, sondern in erreichbarer Nähe sind”, sagt Meyer.

Reiterhöfe profitieren von der Nachfrage

Näher als bei den städtischen Angeboten geht es nicht. Malen, Minigolfen, fußballcampen oder doch lieber einen Ferienkurs „Theater” belegen? So viele Möglichkeiten gibt es in größeren Städten wie Essen oder Dortmund. Wer mag, kann die hoffentlich warmen Sommertage im Zeltlager über dem Baldeney-See verbringen. Ganz nah zu Hause und doch so fern. Und anders als viele der kommerziellen Angebote auch günstig. Ein Tag im Zeltlager etwa kostet acht Euro, inklusive einer warmen Mahlzeit.

Auch Reiterhöfe profitieren von der Nachfrage. „Speziell alleinerziehende Mütter suchen für ihre Kinder oft eine sinnvolle Beschäftigung”, berichtet Brigitte Schneiderin, die vor Jahren das Dortmunder Gestüt Moorhof gründete und Reiterferien in vielen Varianten bietet. Ähnlich wie auch der Reiterhof Worch, im Süden Essens gelegen. Fünf Tage zwischen Koppel und Pferdestall, dazu eine Übernachtung im Stroh, begeistert nicht nur die Töchter, sondern auch deren beruflich engagierten Eltern. Hof-Chefin Marianne Worch: „Unser Programm beginnt eigentlich um zehn Uhr, oft werden die Kinder schon früher, auf dem Weg zur Arbeit, vorbei gebracht.”