Rom.
Ein neues Gesetz verbietet die umweltschädliche Tüte aus Erdöl – gegen den Widerstand der Kunststoffindustrie. Jetzt müssen sich die Italiener an einen Bio-Beutel gewöhnen.
Seit Jahren hält Italien einen einsamen Rekord: 300 Plastiktüten verbraucht jeder Bürger im Jahr. Bei jedem Einkauf und sei er noch so klein, werden Käse & Co in eine Plastiktüte gepackt. Damit ist jetzt Schluss. Seit 1. Januar verbietet ein neues Gesetz die Tüte aus Erdöl.
Ausgerechnet die Italiener, die in Europa nicht gerade für umweltbewusstes Verhalten bekannt sind, machen Schluss mit dem umweltschädlichen Verhalten. Gegen heftigsten Widerstand der Kunststoffindustrie setzt Italien ab sofort auf biologisch abbaubare Materialien und umweltfreundliche Stoffe: Entweder man bringt seinen Stoff- oder Jutesack mit ins Geschäft oder man packt den Einkauf demnächst in eine aus Maisstärke hergestellte Tüte.
Ein Bio-Beutel, der es in sich hat
Die gewöhnungsbedürftige Variante, die Italien erobern soll, ist allerdings ein Bio-Beutel, der es in sich hat. Nichts für Menschen mit feinem Geruchssinn, denn er müffelt nicht nur im Laden, sondern verbreitet seine faulige Aura auch in der Küche.
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Als Revolution wird das neue Gesetz für Italien gewertet, das bereits 2007 beschlossen wurde, aber erst jetzt in Kraft trat. Denn ein Viertel von Europas Tütenkonsum wird den Italienern zuge-schrieben. Nach Schätzungen der Umweltschutzorganisation Legaabmiente verbrauchte das Belpaese über 20 Milliarden Tüten im Jahr. „Für die Produktion wurden etwa 430 Tonnen Ölressourcen verheizt“, schätzt ein Sprecher des italienischen Landwirtschaftsverbandes.
400 Jahre Lebensdauer
Heftige Kritik gab es bisher von Umweltschützern nicht nur wegen des hohen Energieverbrauchs bei der Herstellung, sondern auch wegen der langen Haltbarkeit der Tüten. Laut Umweltministerin Stefania Prestigiacomo bringen es die Tüten auf 400 Jahre Lebensdauer, bevor sie zerfallen. Als Abfallbeutel benutzt sorgen sie für umweltschädliche Gase in den Müllverbrennungsanlagen.
Die neue umweltfreundliche Ära wird für die Italiener deutlich teurer: Die Tüten der Zukunft werden fast das Doppelte wie die bisherigen kosten. Die Händler gehen von circa zehn Cent pro Tüte aus. Allerdings hat sich die große Umstellung noch nicht in allen Geschäften herumgesprochen. Am Montagabend packte der Besitzer einer Imbissbude am Pantheon die belegten Brote in eine Plastiktüte mit der Aufschrift: „Lasst uns die Umwelt verteidigen, in der wir leben. Werft diese Tüte nicht in die Natur, gebraucht sie mehrfach und verwendet sie zum Schluss als Mülltüte.“ Von einer Umstellung auf die Bio-Tüte hatte der junge Mann bisher nichts gehört.
Noch gibt es
keinen Liefertermin
Bei der Lebensmittelkette Carrefour Express in der Via del Jesu hat das neue Tütenzeitalter noch nicht begonnen. „Wir haben noch keine Mitteilung von der Leitung in Mailand, wann umgestellt wird“, sagt der Filialleiter. Luciano Valeri, der eine vollbepackte Tüte aus dem Geschäft schleppt. Er findet die Umstellung auf die neuen biologischen Tüten gut. Dass sie teu-rer werden sollen, hat er allerdings noch nicht gehört. „Alles, was der Umwelt gut tut, ist in Ordnung“, ist seine Überzeugung. Für die Tüte, die er in der Hand hält, habe er allerdings nichts bezahlt.
Daniele Conti, Filialleiter eines Supermarkts in der Altstadt Roms, wartet auf die Lieferung der neuen Tragetaschen. Er hält eine Mitteilung des Ministeriums für ökonomische Entwicklung in der Hand. „Wann die Ware eintrifft, weiß ich nicht.“