Athen. Auf Santorini bebt weiter die Erde. Das Schlimmste könnte der griechischen Insel aber noch bevorstehen. Womit Experten jetzt rechnen.
Fast pausenlos bebt die Erde. Auch in der Nacht zum Donnerstag wurden die Bewohner Santorinis immer wieder aufgeschreckt: Allein zwischen Mitternacht und 7.30 Uhr morgens gab es 20 Erdstöße. An Schlaf ist kaum zu denken. Viele Menschen verbringen die Nacht im Auto. Mehr als 10.000 Bewohner und Besucher haben die Insel bereits verlassen, seit vor drei Wochen eine beispiellose Erdbebenserie die Insel erfasste.
Nach Angaben des Seismologischen Instituts der Universität Athen wurden bisher mehr als 14.000 Erdstöße registriert. Das bisher stärkste Beben ereignete sich am Dienstag. Es erreichte eine Stärke von 5,3 Grad auf der Richterskala. Ein baldiges Ende des Ausnahmezustands ist nicht in Sicht.
Santorini: Vulkan-Experten erwarten starkes Erdbeben
Der Seismologie-Professor Dimitris Papanikolaou rechnet damit, dass die Bebenserie „mit Sicherheit bis Ostern“ andauern wird. „Was danach kommt, werden wir sehen“, sagte der Wissenschaftler dem Fernsehsender „Action24“. Das Schlimmste könnte noch kommen. Denn die Experten sind sich weitgehend einig, dass es sich bei den Erschütterungen um Vorbeben handelt und das eigentliche Hauptbeben noch bevorsteht.
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Über seine Stärke gehen die Meinungen auseinander. Papanikolaou rechnet mit einem Beben der Magnitude 6 auf der Richterskala. Der Seismologe Akis Tselentis hält sogar ein Beben der Stärke 7 für möglich, wenn auch für „sehr unwahrscheinlich“. Das wäre ein großer Unterschied. Denn die Richterskala ist keine lineare, sondern eine logarithmische Skala. Sie misst die bei einem Erdbeben freigesetzte Energie. Ein Erdbeben der Stärke 7 hat 30-mal mehr Energie als eines der Stärke 6.
Kein Zusammenhang zwischen Erdbeben und Vulkan? Ein Experte widerspricht
In Griechenland gibt es zwar strenge Bauvorschriften. Sie sollen Gebäude widerstandsfähig gegen Erdbeben machen. Aber illegales Bauen ist an der Tagesordnung. Bei Kontrollen während der vergangenen Jahre stellten die Behörden fest, dass etwa jedes fünfte Gebäude auf Santorini ohne Genehmigung errichtet wurde – oft direkt am Rand der Steilküsten. Selbst wenn die Statik dieser Bauten stimmt: Der Untergrund, auf dem sie stehen, ist vielerorts instabil.

Denn Santorini besteht aus Vulkangestein. Ihre heutige Form mit der steil abfallenden Felsküste erhielt die Insel vor etwa 3600 Jahren durch eine gewaltige Eruption. Zuletzt ereignete sich 1956 ein kleinerer Vulkanausbruch. Die meisten Wissenschaftler schließen inzwischen aus, dass die Beben Vorboten eines neuen Ausbruchs sind. Die Erschütterungen hätten nichts mit dem Vulkan zu tun, sondern stammten von einer tektonischen Bruchzone, versichern Seismologen.
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Akis Tselentis widerspricht: Der Seismologe sieht eine enge Verbindung zwischen der vulkanischen Aktivität in der Region um den Kolumbo und den zahlreichen kleineren Erdbeben. Tselentis geht davon aus, dass Lava aus dem Erdinneren nach oben steige und die Verwerfungen, also Bruchstellen im Gestein, bewege. Die Folge können Erdbeben sein. Die These ist jedoch in Wissenschaftskreisen umstritten.
Der Experte kritisierte außerdem Berichte der griechischen Behörden, wonach die Erdbebenaktivität nachgelassen habe. „Die Behauptungen über die allmähliche Abschwächung der seismischen Aktivität sind nicht zutreffend – eine Aussage, die aus politischen Kreisen und von Hotelinteressen verbreitet wurde“, schrieb Tselentis auf Facebook.
Santorini fürchtet um seinen Tourismus
Tatsächlich wächst in der Tourismusbranche die Sorge. Am Montag sollte das erste Kreuzfahrtschiff der Saison, die „Viking Star“, Santorini anlaufen. Doch wegen der Erdbebengefahr machte das Schiff einen Bogen um die Insel und steuerte stattdessen den Hafen von Chania auf Kreta an.
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Santorini ist die am häufigsten von Kreuzfahrtschiffen angelaufene Insel Griechenlands. In den Sommermonaten liegen oft vier oder fünf der Kreuzfahrtriesen gleichzeitig in der Bucht. An Spitzentagen gehen bis zu 15.000 Besucher an Land. Viele Händler und Gastronomen sind inzwischen verunsichert. Hält die Bebenserie an, könnten die Kreuzfahrtreedereien Santorini aus ihrem Programm streichen und ihre Schiffe auf andere Inseln umleiten. Im vergangenen Jahr besuchten 3,5 Millionen Urlauber die Insel. Davon waren rund 1,5 Millionen Kreuzfahrtpassagiere.
Hinzu kommt, dass die meisten der rund 7000 Unternehmen auf der Insel ihr Geld mit dem Tourismus verdienen: Hotels, Restaurants, Händler, Busunternehmen, Autovermietungen. Die Insel hat rund 70.000 Hotelbetten und 4300 Ferienwohnungen, die über Plattformen wie Airbnb kurzfristig vermietet werden. Eine Stornierungswelle bereits gebuchter Aufenthalte gebe es noch nicht, heißt es von den örtlichen Hoteliers. Bei Neubuchungen sei aber bereits eine deutliche Zurückhaltung zu spüren.
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Viele Hoteliers und Gastwirte renovieren jetzt ihre Häuser oder führen Reparaturen durch. Dafür kommen normalerweise in den Wintermonaten Tausende Arbeiter vom Festland. Doch die meisten von ihnen haben die Insel wegen der Erdbebenserie inzwischen wieder verlassen. Und dann ist da die Sorge, ob es im Sommer genügend Saisonkräfte geben wird, um die Griechenland-Urlauber in den Hotels und Restaurants zu bedienen. Ohnehin herrscht seit der Pandemie in der Tourismusbranche großer Personalmangel. Viele könnten sich wegen der ungewissen Zukunft auf Santorini nun anderswo einen Job suchen.
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