Berlin. Die deutsche Reality-Persönlichkeit Norman Ritter starb mit 40 Jahren an Herzversagen. Die TV-Figur lebte in einem Milieu der Hoffnungslosigkeit.

Sein Gesicht, aufgedunsen. Seine Stimme, verwaschen. Seine Augen, verquollen. Ein Mann, ein Wrack. „Ich hab das Saufen vom Vater. Und ich hab das Schlagen vom Vater“, sagte Norman Ritter im letzten Sommer auf dem Youtubekanal „The Real One“. Norman Ritters Leben als Gewalttätiger und Rechtsradikaler ist längst öffentlich zelebriert worden – über 30 Jahre lang in der Stern TV-Doku „Familie Ritter.“ In einer frühen Folge sagte Norman, damals etwa sechs Jahre alt, auf die Frage, was er einmal werden will: „Skinhead“. Nun ist Norman Ritter mit 40 Jahren gestorben.

„Skinhead“ als Lebenstraum. Sein Feindbild war das seiner Mutter Karin und seiner drei Brüder. Ein Feindbild, das sich auf einen Nenner bringen lässt: Ausländer. Warum das so sei, fragt der Stern-Reporter in der Doku? „Ausländer, die tun den anderen Arbeit wegnehmen“. Ob er einen Ausländer kennen würde? Nein. Aber sollte er einen treffen, würde er ihn „blau schlagen“. Szenen wie aus einem Horrorfilm.

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Norman Ritter: Fremdenhass, Alkohol und Gewalt

Norman Ritter, der schon als Kind durch Gesten wie den Hitlergruß und rechtsradikale Aussagen auffiel, ist am Mittwochabend an Herzversagen gestorben. Er habe zudem unter Leberzirrhose gelitten, heißt es von seinem Bruder René. Dass er ein Drogen- und Alkoholproblem hatte, war längst bekannt. Norman Ritter war kein Abgestürzter, das würde ja bedeuten, dass er irgendwann einmal oben war. Norman Ritter lebte von Anfang an in einem Milieu der Hoffnungslosigkeit, der Arbeitslosigkeit, des Ausgegrenztseins. Alkohol und Fremdenhass bestimmte den Alltag. Und Norman lernte schnell, dass die Sprache der Ritters rohe Gewalt war.

Es nahm keinen guten Anfang mit den Ritters – und kein gutes Ende. Mutter Karin, Familienoberhaupt und Kettenraucherin, starb 2021 im Alter von 66 Jahren. Zwei Jahre später starb auch Normans Bruder Andy. Er wurde Opfer seiner Drogensucht. Eine Familie, die durch die Dauer-Doku als eine Art Sozialexperiment berühmt wurde. Wer sich die Szenen anschaut, traut seinen Augen kaum.

Familie Ritter
„Familie Ritter“ schockierte weit über die Grenzen von Köthen mit ihren rechtsradikalen Ansichten und ihrer Brutalität. © Screenshot | Youtube

Die Ritterbrüder, vor allem Norman und René haben Köthen schon in Angst und Schrecken versetzt, da waren sie noch Grundschüler. Mit selbstgebastelten Schlagstöcken sind sie in Wohnungen eingedrungen, nachdem sie zuvor mit einer Axt die Wohnungstür eingeschlagen hatten. Das erzählen die beiden stolz in den Szenen der Doku. Dann sei Zimmer für Zimmer alles kurz und klein geschlagen worden. Auch auf die Nachbarn droschen sie mit ihren Knüppeln ein, verletzten sie, bis sie bluteten.

Selbst in der Schule herrschte das große Zittern vor der Ritterbande. Schüler, aber auch die Lehrkräfte hätten regelrecht Panik gehabt vor den Brutalo-Knirpsen, die auch hier mit Schlagstöcken draufschlugen. Reue? Kannten sie nicht. Sie waren stolz und wollten immer nur alles „kaputtschlagen“. Eine Nachbarin sagt, dass sie nicht zu bremsen waren, weil sich doch keiner getraut hätte, Anzeige zu erstatten. „Dann haben die doch sofort die Glatzen geholt.“

Familie Ritter und die Bilanz ihres chaotischen Lebens

Mutter Karin Ritter, die lange mit ihrer Familie in einem Obdachlosenheim am Rande von Köthen wohnte, sieht man in der Doku, wie sie voller Wut aus vollem Hals herumbrüllt. Nach mehreren Putzjobs war sie arbeitslos. Die Nachbarn werfen ihr vor, ihre Wohnung vergammeln zu lassen. Sie schreit zurück, dass sie doch nicht wisse, wie sie es machen soll, wenn sie kein Wasser hat. Keine Menschenseele helfe ihr. „Das Ordnungsamt hat doch nur 'ne große Schnauze. Die belügen uns von vorne bis hinten“. Neonazis gingen in ihrer Wohnung ein und aus.

Ihre offen herausposaunten rechtsradikalen Ansichten, die alltäglich Gewalt und Verwahrlosung machten Familie Ritter zu einem schockierenden Novum der deutschen Fernseh-Geschichte. Sechs Kinder – vier Söhne, zwei Töchter – von drei unterschiedlichen Vätern sind die Bilanz ihres chaotischen Lebens.

Frauen, Männer, Alte, Junge – es gab wohl kaum einen in Köthen, der ein gutes Haar an den Ritters ließ und der sich nicht aus Angst vor ihnen am liebsten verbarrikadiert hätte. Autos haben sie kaputtgeschlagen. „Einen ganzen Trabi zerlegt“, sagt ein Anwohner. Eine Seniorin ist mit den Nerven fertig. Sie traue sich nicht mehr auf die Straße, erzählt sie in der Doku.

Dass stern TV dieser Familie über 30 Jahre eine Dokureihe widmete, löste ein geteiltes Echo aus. Das Lob ging in etwa so: Familie Ritter diene als Vorzeigebeispiel, um zu zeigen, wozu es führen kann, wenn Menschen komplett abgehängt sind: zu Suff und extremistischen Ideologien. Die Kritik klang so: Das Ganze sei schlimmster Sozialvoyeurismus. Zudem gebe man einem Rechtsradikalen wie Norman Ritter, der sogar im Gefängnis saß und sich in Reality-Formaten immer wieder als glühender Neonazi präsentierte, eine Bühne.

Karin Ritter
Karin Ritter, Mutter von Norman Ritters und Familienoberhaupt starb mit 66 Jahren. © Screenshot | Youtube/sternTV

Immer wieder gab Norman Ritter auch seine Statements im Youtube-Kanal „The Real One“ zum Besten. In einer Folge im Sommer letzten Jahres sieht man ihn, wie er versucht, in all seinem hausgemachten Dilemma nach vorne zu gucken. Dass er als Tätowierer super gefragt sei, scheint ihn stolz machen. Er blickt zu seinem Bruder René, der neben ihm sitzt. Sein Gesicht zugequollen. Er ist hackevoll und hat nicht viel zu sagen.

Norman Ritter beweint sich selbst: „Wen hab ich denn noch?“

Norman allerdings schon. Er schimpft herum, irgendwann auch auf seine Ex-Frau, weil sie es war, die erwirkte, dass er seine Tochter nicht mehr sehen darf. Wie aus dem Nichts brüllt er: „Ich frag’ mich, was das Problem meiner Ex ist?“ Kleine Pause, und dann – ebenfalls wie aus dem Nichts – fängt er an, jammervoll zu heulen. Er bejammert sich selbst und seine Situation. Er fühle sich verlassen, allein auf der Welt. „Wen hab ich denn noch?“, schnieft er.

Er vermisse vor allem seine Tochter und seinen Bruder Andy. Der bullige Mann mit dem großen Mundwerk flennt wie ein Kind. Unter Tränen und komplett demoliert wirkend sagt er: „Ihr seht, wie kaputt ich bin.“ Er, der sonst so gern anderen die Schuld gibt, scheint für Momente etwas kapiert zu haben. Wie eine bittere Erkenntnis steht es in seinem Gesicht: „Ich bin ja derjenige, der mir Ärger macht.“