Berlin. Trotz eines üblen Unfalls am Set hängt Schauspieler Erdogan Atalay an seiner Rolle bei „Cobra 11“. Doch die Zukunft der Serie ist ungewiss.

Die mittlerweile 50. Staffel von „Alarm für Cobra 11“ (nächste Folge ab 14. Januar um 20.15 Uhr auf RTL) zeigen Erdogan Atalay wieder in seiner gewohnten Rolle als Action-Kommissar. Aber der 58-Jährige muss auch seine persönlichen Grenzen erleben – nicht nur in den Geschichten, sondern auch im realen Leben, wo der Schauspieler immer noch mit den Folgen eines Dreh-Unfalls zu kämpfen hat und sich gleichzeitig mühselig ins Skifahren vortastet. Seinem gesunden Selbstbewusstsein tut das aber trotzdem keinen Abbruch.

Sie wirken sehr gut gelaunt zum Auftakt unseres Gesprächs.

Erdogan Atalay: Weil ich ein relativ optimistischer Mensch bin. Dinge, die ich nicht ändern kann, akzeptiere ich.

Atalay über Unfall am Dreh: „Es ist einfach maßlos ärgerlich“

Gilt das auch für Ihren Unfall beim Dreh zu den neuen „Alarm für Cobra 11“-Folgen, wo Sie sich eine schlimme Schulterverletzung zuzogen und Monate lang nicht vor der Kamera stehen konnten?

Atalay: Wenn man in der Physiotherapie einen kleinen Schaumstoffball mit der Hand drücken soll, und das geht nicht, da fragt man sich schon: Wie soll das jemals wieder gut werden? Es ist einfach maßlos ärgerlich. Aber man muss das halt ertragen.

Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei
In „Cobra 11“ ermittelt Erdogan Atalay als Polizist Semir Gerkhan. © RTL / Guido Engels | RTL / Guido Engels

Wie lange dauerte die Physiotherapie?

Atalay: Ein ganzes Jahr. Sie ist immer noch nicht beendet. Es sind alle Bänder in der Schulter weggeflogen und man musste die wieder festschrauben. Zum Glück konnte ich relativ schnell wieder drehen.

Wie haben Sie diese Situation mental bewältigt?

Atalay: Ich liebe es, mit meiner Kettensäge Holzfiguren zu schnitzen. Und das war nicht mehr möglich. Also habe ich mit dem Malen angefangen – vor allem Tierfiguren. Allerdings meinte meine Frau, ich sei der schlimmste Patient überhaupt, weil ich so ungeduldig bin.

Bei diesem neuen Hobby hatte Atalays Frau bedenken

Werden Sie bei künftigen Actionszenen bei „Alarm für Cobra 11“ vorsichtiger sein?

Atalay: Ob es weitergeht, wissen wir noch nicht. Das entscheidet letzten Endes der Zuschauer. Aber bei den Drehs ist man ja ohnehin vorsichtig. Das war einfach ein dummer Unfall. Ich bin mit einem Feuerlöscher in einer Tür hängen geblieben.

Wie sieht es sonst aktuell mit physischen Aktivitäten bei Ihnen aus?

Atalay: Ich habe angefangen, Ski zu fahren, was ich noch nie gemacht hatte.

Das ist doch auch nicht ganz ungefährlich ...

Atalay: Ich fahre noch brav Schneepflug und wundere mich über die Leute, die diese roten und schwarzen Pisten herunterrasen. Klar falle ich immer mal hin, aber die Ski lösen sich ja und ich hatte auch eine klasse Skilehrerin. Ich kenne schon meine Grenzen. Meine sechsjährige Tochter fährt dann an mir immer vorbei und meint: „Papa, du bist wieder hingefallen.“ Und mein Sohn, der ein super Skiläufer ist, lacht sich über mich kaputt.

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Man kann sich doch auch bei harmlosen Stürzen verletzen.

Atalay: Meine Frau meinte schon: „Willst du das wirklich machen. Du bist ja nicht mehr der Jüngste.“ Aber ich wollte das einfach ausprobieren.

Atalay übers Altern: „Klar wird einem die Endlichkeit bewusst“

Kratzt es nicht am Ego, wenn sich Ihre Kinder über Sie amüsieren?

Atalay: Nein, denn das ist eben eine fremde Welt für mich. Ich habe früher Pferde ausgebildet, und daher weiß ich, dass man manche Sportarten eben nicht von heute auf morgen ausüben kann. Aber irgendwann kommt man an einen Punkt, wo man zum Beispiel mit dem Pferd zu einer Einheit verschmilzt. Das gilt für alle Bereiche. Wenn jemand etwas sehr gut kann, dann bekommt das alles eine Selbstverständlichkeit. Auch in der Schauspielerei ist das so.

Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei
„Cobra 11“-Ermittlerin Vicky (Pia Stutzenstein) berät sich mit ihrem Kollegen Semir (Erdogan Attalay). Haben die beiden eine Spur? © RTL / Guido Engels | RTL / Guido Engels

Wenn etwas selbstverständlich ist, wird da nicht eine Routine draus?

Atalay: Nein, das ist strikt verboten. Gerade im Actionbereich. Man versucht immer etwas Neues herauszuholen. Wobei die Leute gar nicht wissen, wie viel Arbeit dahinter steckt.

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Ihre Frau meinte zu Ihnen, Sie seien nicht mehr der Jüngste. In den neuen Folgen reiben Sie sich mit Ihrem jüngeren Vorgesetzten. Fühlen Sie sich denn mit 58 schon alt?

Atalay: Im Normalfall denke ich nicht darüber nach. Ich habe auch kein Gefühl für mein Alter. Ich werde immer nur darauf hingewiesen: „Du bist ja älter geworden.“ Und ich denke mir: „Ja, stimmt.“

Bei den 58 ist die 60 nicht mehr weit...

Atalay: Klar wird einem die Endlichkeit bewusst. Momentan kann ich alles machen, was ich machen will, aber irgendwann kommen die ersten Gebrechen und eines Tages ist man weg vom Fenster. Das ist schon ein merkwürdiger Gedanke. Denn ansonsten leben wir mit einem Gefühl von Unsterblichkeit, das sich nur dann auflöst, wenn ein naher Verwandter oder Freund stirbt.Auc

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Sie machen sich aber keine Gedanken, was Sie im Leben noch alles tun wollen?

Atalay: Ich habe tausende Ideen. So habe ich keine Langeweile. Ich habe immer etwas zu tun, was für die Umstehenden manchmal nicht so leicht ist. Das heißt es: „Kannst du nicht mal ruhig sein.“ Aber das ist nicht mein Wesen, ich bin immer aktiv.

So denkt Atalay über die junge Generation

Die Baby-Boomer, zu denen Sie ja gehören, werfen der Generation Z gerne vor, sie wolle nichts mehr leisten. Wie sehen Sie das?

Atalay: Ich finde es traurig, wenn Leute das Gefühl haben, dass das Arbeiten Verbrechen an der Lebenszeit ist. Wenn man etwas findet, was einem Spaß macht, ist das ein Teil des Lebens. Ich frage mich da schon: Wo liegen da eure Interessen? Wie wollt ihr alles finanzieren? Nicht jeder kann ein YouTuber werden.

Ich will jetzt nicht wie ein älterer Herr daherreden nach dem Motto „Früher war alles besser“. Aber in der Tat haben wir nie nach Überstunden gefragt, weil uns die Arbeit Spaß gemacht hat. Wenn seinerzeit jemand beim „Cobra“-Dreh gefragt hat „Wann ist Schluss?“, hieß es: „Schluss ist, wenn’s fertig ist.“ Und heute heißt es: „Aber ich möchte nicht mehr als sieben Stunden arbeiten.“

Unlängst lautete eine Schlagzeile, dass Sie die meisten Kommissare im deutschen Fernsehen verschlissen hätten, weil Sie neunmal Ihre Partner wechselten. Sind Sie ein bisschen stolz darauf, dass Sie alle sozusagen überlebt haben?

Atalay: Man kann nicht sagen „verschlissen“, weil sich viele anders orientieren wollten. Aber ich bin froh, dass ich es durchgezogen habe. Früher sagten viele: „Wie lange willst du das noch machen? Du verbrennst doch dein Gesicht.“Aber ich denke mir: „Es gibt schlechtere Daseinsformen, als Actionheld zu sein.“

Mir macht das Spaß, und zum Glück drehe ich nebenbei noch andere Sachen. Mancher, der mir damals gesagt hat: „Wie lange willst du das weiter spielen?“, fragt mich heute, ob ich etwas tun könne, um ihn zu besetzen. Ich habe das nie wegen der Sicherheit gemacht. Wenn ich keinen Spaß mehr gehabt hätte, hätte ich aufgehört.