Berlin. Ralf Schumacher war einst mit einer Frau verheiratet. Jetzt bekennt er sich zu einem Mann. Ein Experte erklärt, was dahintersteckt.

Verständnis, Wärme und Herzlichkeit: Was Ralf Schumacher an Reaktionen auf sein Coming-Out erfährt, wird ihm mehr als guttun. Am Sonntagabend hat der ehemalige Rennfahrer per Insta-Post bekannt gegeben, mit einem Mann zusammen zu sein – durch ein Foto, das ihn mit seinem Partner zeigt. Innerhalb kurzer Zeit markierten Tausende seinen Instagram-Post mit „Gefällt mir“. Ein Nutzer schrieb: „Ralf, wenn das ein Outing ist, muss ich sagen, Respekt.“

Auch Ralf Schumachers Sohn David reagierte mehr als positiv: „Es freut mich sehr, dass du endlich jemanden gefunden hast, bei dem man wirklich merkt, dass du dich sehr wohl und geborgen fühlst, egal ob Mann oder Frau. Ich stehe zu 100 Prozent hinter dir, Papa, und wünsche euch alles Gute und herzlichen Glückwunsch“, schrieb der 22-jährige Nachwuchsfahrer und Sohn aus der geschiedenen Ehe von Ralf Schumacher mit Reality-Star Cora Schumacher.

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Dass bi- oder homosexuelle Männer zunächst oder dauerhaft mit einer Frau verheiratet sind, so wie einst Ralf Schumacher, ist nichts Ungewöhnliches. „Heute wissen wir, dass sich jeder Mensch zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlen kann“, erklärt der Berliner Psychologe, Paar- und Sexualtherapeut Wolfgang Krüger. Meist sei jedoch der hetero- oder der homosexuelle Anteil dominanter. Wann man sich dessen bewusst werde, sei individuell.

Homosexualität: Viele Männer verstecken ihre Neigung bewusst

Und selbst wenn ein Mann sich bereits bewusst ist, dass er sich zu seinem Geschlecht hingezogen fühlt, kann es durchaus sein, dass er sich dennoch für ein Leben mit Frau und leiblicher Familie entscheidet. So zeigte eine Studie der Technischen Universität München (TUM) 2018, dass in Deutschland knapp sechs Prozent der homosexuellen Männer Mitte 40 ein rein heterosexuelles Leben führen – häufig mit Ehefrau und Kindern, in Partnerschaften, die seit mindestens zehn Jahren bestehen. Sie gelten als „hidden homosexuals“, als versteckte Homosexuelle. Warum sie sich für eine solche Lebensweise entschieden haben, wurde von den Forschenden nicht hinterfragt.

„Teilweise hat eine solche Lebensweise natürlich eine Alibi-Funktion“, erklärt Krüger. Ob dies bei Ralf Schumacher der Fall gewesen sei, ließe sich aber nicht beurteilen. Fest steht laut dem Psychologen jedoch, dass ein Teil der Betroffenen ihre homosexuelle Seite nicht ausleben, um dadurch keine gesellschaftlichen Nachteile zu haben. „Sie befürchten ausgegrenzt zu werden oder ähnliches“, so Krüger. „Diese Problematik bestand eigentlich schon immer – insbesondere auch in den eher konservativen Kreisen der beliebten, vermeintlich männlichen Sportarten wie etwa Fußball oder Formel 1.“

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Schumacher sendet deutliche Botschaft: Coming-Out kurz vor Fußball-EM-Finale

Vielleicht entschied sich der ehemalige Rennprofi Ralf Schumacher und jüngere Bruder der Rennfahrerlegende Michael Schumacher (55) auch deshalb nun pünktlich zum Fußball-EM-Finale ein Zeichen zu setzen. Zwar haben seine Familie und enge Freunde bereits von der homosexuellen Beziehung gewusst, erklärte Schumacher gegenüber F1-Insider.com. „Sie wussten seit langem Bescheid.“ Doch aus der Öffentlichkeit wollte Schumacher sein Privatleben bislang unbedingt heraushalten. „Mein Sohn David hatte am Sonntag seinen Sieg beim GT-Masters vom Vortag wiederholt. Es war für ihn der bisher größte Erfolg seiner Motorsportkarriere. Ich dachte, das wäre jetzt ein guter Anlass“, sagte Schumacher über das Timing seines Outings.

Psychologe und Sexualtherapeut Krüger sieht in Schumachers Coming-Out ein wichtiges Signal, gesellschaftlich, aber auch für ihn selbst. „Wenn es zum Coming-Out kommt, durchlaufen die Männer zunächst eine Reihe innerer Prozesse: Sie werden mutiger oder entschlossener, das offiziell auszuleben, was sie schon lange in sich getragen haben“, so der Experte. „Wenn jemand dann noch in einem Umfeld groß wird, von dem er weiß, dass Homosexualität weniger akzeptiert wird, ist es umso schwerer, sich diese Neigung einzugestehen.“ Umso mutiger sei es, dass Ralf Schumacher nun den Schritt gegangen sei, sich zu outen, obgleich er noch als TV-Experte in der Öffentlichkeit stehe.

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Sein überraschender Instagram-Post kam am Abend des Fußball-EM-Finales: „Das Schönste im Leben ist, wenn man den richtigen Partner an seiner Seite hat, mit dem man alles teilen kann“, schrieb Ralf Schumacher zu dem Foto, das ihn von hinten Arm in Arm mit seinem Partner Etienne zeigt, einem Franzosen, der wohl auch Ralf Schumachers Geschäfte managt, wie in den Sozialen Netzwerken zu lesen ist. Beide blicken gemeinsam in den Sonnenuntergang über dem Meer. Das Versteckspiel sollte wohl nach bereits zwei-jähriger Beziehung einfach ein Ende haben.

Ralf Schumachers Outing: ein Befreiungsschlag?

„Oft macht sich dann ein großes Gefühl der Erleichterung breit“, bestätigt auch Krüger. „Muss ein Mensch eine Seite an sich dauerhaft unterdrücken, kann das sehr unglücklich machen“, so der Psychologe und Buchautor. Und auch, wenn manch einem zwei Jahre Beziehung im Geheimen zunächst lange vorkommen mögen, hält Experte Wolfgang Krüger dies eher für eine kurze Zeitspanne. Er berichtet von Schicksalen, in denen Männer ihre gleichgeschlechtlichen Beziehungen teils über zehn Jahre geheim hielten – verbunden mit unglaublicher Anspannung, Stress und einem hohen Leidensdruck.

Zudem vermutet er, dass Ralf Schumacher trotz Zuspruchs von vielen Seiten auch seine Rolle in der Öffentlichkeit neu finden müsse. „Es wird immer Teile der Bevölkerung geben, die seiner Homosexualität skeptisch gegenüberstehen und die Menschen über ihre sexuelle Orientierung definieren.“ Er erlebe in den letzten Jahren sogar, dass alte Rollenmuster auf eine irritierende Weise wieder viel stärker würden.

Auch deshalb hält er Schumachers Schritt in die Öffentlichkeit für ein wichtiges Zeichen und eine „unglaubliche Vorbildfunktion für andere Profisportler“. Ralf Schumacher hingegen lässt die Dinge nach eigener Aussage nun erstmal auf sich zukommen. Für ihn sei das Outing „kein großes Thema“, sagte er gegenüber F1-Insider.com. „Ich habe nur das getan, was ich für richtig hielt. Ich habe aber durchweg positives Echo für etwas erhalten, was für mich normal ist.“

Zur Person

Dr. Wolfgang Krüger (75) ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut mit eigener Praxis in Berlin. Beziehungsprobleme sind ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Zudem veröffentlichte Krüger diverse psychologische Sachbücher – unter anderem zu den Themen Liebe, Partnerschaft und Sexualität.