Ruhrgebiet. .
Immer mehr wilde Katzen landen in den Tierheimen des Reviers. Aber deren Aufnahmekapazitäten sind längst erschöpft.Tierschützer fordern längst die Zwansgkastrierung der wilden Katzen.
Zwei rotgetigerte Kätzchen drängen sich ängstlich im Käfig. Vor 14 Tagen hat Werner Schenkel die Wildkatzen gemeinsam mit ihrer Mutter und einem dritten Jungen auf seiner Terrasse entdeckt. Behalten will er sie nicht – „sonst habe ich im Frühjahr zwanzig Katzen vor meinem Haus herumlaufen.“
Lauter gute Gründe, Katzen zu hassen
Mit Hilfe einer Katzenfalle ist es Werner Schenkel gelungen, zwei der Jungen einzufangen und sie ins Duisburger Tierschutzzentrum zu bringen. Dort weiß man schon nicht mehr, wohin mit den Fundkatzen. „Wir haben hier derzeit über zweihundert Katzen und täglich kommen zwei bis drei neue dazu“, sagt Monika Lange, Vorsitzende des Tierschutzzentrums. „So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie.“ Für Monika Lange liegt das Problem auf der Hand: „Viele Katzenbesitzer lassen ihre Tiere unkas-triert draußen herumlaufen.“
Dort vermehren sie sich mit anderen Freigängern und wilden Katzen – doch den Nachwuchs will niemand haben. Vielfach landen diese Tiere dann im Duisburger Tierschutzzentrum. Die meisten sind verwahrlost, unterernährt, krank. „Das ist auch der Grund, warum wir mittlerweile Büroräume zur Quarantänestation umfunktionieren mussten“, sagt Monika Lange. Dort werden die Tiere aufgepäppelt, geimpft, kastriert und schließlich zur Vermittlung freigegeben. Denn vermisst werden die wenigsten.
Kein Unterschlupf mehr
Auch in Gladbeck kennt man das Problem. Hier haben Tierschützer unzählige Katzen in einer verlassenen Wohnsiedlung gefunden. „Wahrscheinlich gibt es hier mehr Wild- als Hauskatzen“, sagt Jürgen Hertlin vom Ordnungsamt. Im Tierheim finden die Streuner keinen Unterschlupf mehr: Aufnahmestopp. Auch das Gelsenkirchener Tierheim ist mit 140 Katzen bereits überbelegt. „Eigentlich haben wir nur Kapazitäten für achtzig Katzen“, sagt Tierheimleiter Wolfgang Schlüter.
Lauter gute Gründe, Katzen zu lieben
Also suchen sich die Katzen ein anderes Zuhause, oftmals in Wohnsiedlungen, wo sie von wohlwollenden Anwohnern aus falscher Tierliebe ge-füttert werden. Denn: „Futterstellen ziehen mehr und mehr herumstreunende Katzen an, die sich dort unkontrolliert vermehren“, beschreibt Schlüter das Problem. Das einzige wirksame Mittel dagegen, sagen Tierschützer, sei die Kastration. Deshalb fordern sie Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für freilaufende Katzen – jedenfalls für solche, die sich in menschlicher Obhut befinden.
In Paderborn gibt es eine solche Regelung bereits. Und auch in Oer-Erkenschwick muss jeder Bürger, der eine Katze hält, die älter als sechs Monate ist und nach draußen geht, diese beim Tierarzt per Mikrochip oder Tätowierung kennzeichnen und kastrieren lassen. Katzenbesitzern, die gegen die Satzung verstoßen, droht Bußgeld von bis zu 1000 Euro – theoretisch. Praktisch „gestalten sich die Ahndungsmöglichkeiten kompliziert“, sagt Michael Grzeskowiak vom Oer-Erkenschwicker Ordnungsamt. „Unser Pro-blem ist, dass die Katzenhalter nirgendwo registriert sind.“
Immense Kosten
Ein Problem, das für Norbert Schulze-Schleithoff, Leiter des Gelsenkirchener Veterinäramtes, gegen eine Kastrationspflicht spricht, denn: „Ohne Registrierung ist die Pflicht nichts Halbes und nichts Ganzes. Doch die bedeutet immense Kosten für die Stadt.“ Und Verwaltungsaufwand.
Auch in Duisburg sorgt die Forderung der Tierschützer offenbar für Zündstoff. Im Ordnungsamt will man sich zur Kastrationspflicht erst gar nicht äußern. „Sie ist rechtlich anfechtbar“, nennt Stadtsprecherin Anja Huntgeburth ei-nen weiteren Kritikpunkt. Da es sich bei einer durch den Rat beschlossenen Kastrationsverordnung wie im Fall Oer-Erkenschwick um kein Gesetz handelt, ist fraglich, inwiefern diese im Klagefall vor Gericht Bestand hätte. Sowohl Duisburg als auch Gelsenkirchen und Gladbeck sind deshalb bis auf weiteres gegen eine verpflichtende Kastration. „Es wäre vernünftiger, an das Verantwortungsbewusstsein der Katzenhalter zu appellieren“, sagt Jürgen Hertling vom Gladbecker Ordnungsamt.
Sonderpreis beim Arzt
Monika Lange vom Duisburger Tierschutzzentrum befürwortet die Kastrationspflicht, nennt aber auch andere Lösungen: „Es wäre ein Anfang, wenn man Tierärzte zu einem Sonderpreis für die Kastration wilder Katzen gewinnen könnte.“ In Oberhausen funktioniert die Kastration von Wildkatzen seit Jahren – dank engagierter Bürger, die dem Tierschutzverein wilde Populationen melden. Doch ein solches Verantwortungsbewusstsein ist nicht selbstverständlich. Die roten Katzenbabys wären sonst weder auf Werner Schenkels Terrasse, noch im Duisburger Tierschutzzentrum gelandet.