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Immer mehr Fundtiere, immer höhere Kosten, Dürre in der Spendendose: Manchen Tierschutzvereinen droht die Insolvenz, andere krabbeln am Existenzminimum. Rein städtische Einrichtungen verschwinden.

Man merkt Thomas Schröder an, dass er diese Sätze nicht zum ersten Mal sagt. Zu routiniert arbeitet der Bundesgeschäftsführer des Tierschutzbundes Punkt für Punkt ab: Die Tierheime sind an ihre Grenzen geraten, müssen fast 40 Prozent mehr Tiere betreuen als vor vier Jahren. Die bleiben im Schnitt länger, weil: schwieriger vermittelbar. Und da auch die Spenden zurückgehen, stehe jedes zweite Heim vor der Insolvenz. „Hattingen hat vor einem halben Jahr etwa SOS gefunkt.“

„Insolvenz?“ Petra Baum reagiert erschrocken. „Klar, wir krabbeln seit zehn Jahren am Existenzminimum“, gesteht die Vorsitzende des Hattinger Tierschutzvereins, „aber wir konnten noch jede unserer Rechnungen bezahlen.“

Petra Baums Verein ist einer der kleineren im Ruhrgebiet. Ein eigenes Heim gibt es nicht, dafür einige ehrenamtliche Helfer. Sie betreuen Katzen im Haus der Halter, während die im Urlaub am Strand liegen. Fundtiere fahren sie zu freiwilligen Pflegern. „Und zwar Tag und Nacht“, versichert Baum. Ein Ende ist nicht geplant: Zwar seien bis Juli erst 150 Euro in der Spendendose gelandet. In ein paar Tagen aber bekomme der Verein immerhin ein neues Auto gesponsert.

Erbschaft für die Hunde

Bei großen Tieren hilft Hattingen der „große Bruder“: Das Bochumer Tierheim hat erst vor vier Jahren eine Erbschaft für ein neues Hundehaus eingesetzt. Insgesamt beherbergt das Tierheim 75 Hunde, 60 Katzen und ebenso viele Kleintiere. Viele werden aus finanziellen Problemen ausgesetzt oder abgegeben. Manche bleiben für immer – so wie Odin. „Ihn werden wir wohl nicht mehr vermitteln“, glaubt Carmen Decherdt, die das Heim seit November leitet.

Der Stafford Terrier Mischling hat nur zu Schwiegervater Helmut Decherdt echtes Vertrauen. Vor mehr als fünf Jahren gabelten ihn die Bochumer auf. Das Schild an seinem Käfig ist durch die Sonne inzwischen etwas verblichen: „Sein neuer Besitzer sollte ordentlich Kraft mitbringen“, steht dort, „denn wenn er mal Gas gibt, dann aber richtig.“

Im Schnitt bleiben Hunde für 3,3 Monate in einem deutschen Tierheim. Bei Katzen dauert es 3,5 Monate, ehe sie ein neues Zuhause finden – einen halben Monat länger als noch 2006.

Kosten steigen

Die Kosten von Fundtieren steigen. Laut Gesetz müssen die Kommunen sie selbst tragen, viele übernehmen sie aber nur für 28 Tage. Die meisten – auch Bochum und Hattingen – zahlen den Vereinen stattdessen eine jährliche Pauschale, die umgerechnet noch niedriger liegt. „Die wurde vor einer Ewigkeit ausgehandelt“, sagt Carmen Decherdt. „Da kamen lange nicht so viele verletzte Tiere.“ Vor ein paar Tagen erst hat ihr Heim eine Katze mit Kieferbruch aufgenommen. Die nötige Operation kostet mindestens 500 Euro.

Es verwundert kaum, dass rein städtische Einrichtungen in Zeiten von Nothaushalten von der Tierschutzkarte verschwinden. In der näheren Umgebung leisten sich nur Hagen und Mülheim noch eigene Tierheime. Während in Hagen schon mehrere Anträge zum Neubau eines sachgerechten Heimes gescheitert sind, prüft Mülheim die Möglichkeit, das Heim an einen Verein abzutreten. Das halbstädtische Dortmunder Tierschutzzentrum klagt derweil über Personalnotstand: Drei Pfleger arbeiten bis zu zwölfeinhalb Stunden an jedem von sechs Tagen in der Woche.

Das jährliche Überleben

„Ja und Nein“, antwortet Bärbel Thomassen auf die Frage, ob dem Essener Tierheim eine Insolvenz droht. „Im letzten Jahr hatten wir Glück mit zwei großen Erbschaften“, erzählt sie. „Das war so viel Geld, wie wir im ganzen Jahr an Spenden bekommen haben.“ Und es sichere das Überleben in diesem Jahr.

Da nämlich habe ihr Verein noch nichts geerbt. Zugleich gebe es immer weniger Spenden. „Wenn der Trend anhält, müssen wir uns fragen, ob wir uns noch halten können“, sagt sie. Wenn nicht, würde ein echtes Schwergewicht des Tierschutzes wegbrechen. Fast 400 Tiere betreut die Essener Einrichtung. Sie ist eine der größten in NRW. Der Verein besteht schon seit 1874, und ist damit der älteste im Ruhrgebiet.

„Die Kommunen sind jetzt in der Pflicht“, sagt Thomas Schröder, der Geschäftsführer des Tierschutzbundes. Jahrelang habe er das Gespräch mit ihnen gesucht. Er fand es schließlich am 13. Juli. In Berlin kamen Vertreter des Tierschutzes mit Vertretern des Deutschen Städtetages, Städte- und Gemeindebundes und Landkreistages ins Gespräch. „Ein sehr konstruktives“, findet Schröder. Mit mehr Zahlungen der Kommunen sei aber nicht zu rechnen, hieß es. So endete das Gespräch mit der beliebtesten Lösung für solche Fälle: Es wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet.