Essen. Wirtschaftskrise trifft auch Tierheime: Zahl der abgegebenen Vierbeiner steigt und die Spenden gehen zurück. Eine Entwicklung, die der „Deutsche Tierschutzbund” mit 87 Tierheimen in NRW und der Verband „Bund Deutscher Tierfreunde” mit Sorge beobachten.

Die Wirtschaftskrise ist in den Tierheimen angekommen: Auffällig viele Menschen geben ihre Vierbeiner ab, weil sie sich das Futter und den Tierarzt nicht mehr leisten können. Gleichzeitig brechen Spendengelder weg. Eine Entwicklung, die der „Deutsche Tierschutzbund” mit 87 Tierheimen in NRW und der kleinere Verband „Bund Deutscher Tierfreunde”, Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen, mit Sorge beobachten.

"Meist sind es alte und kranke Hunde"

Manfred Hees, Sprecher beim Bund Deutscher Tierfreunde, berichtet: „Vom Jahresbeginn bis jetzt sind etwa zwanzig Prozent mehr Tiere bei uns abgegeben worden als in den vergangenen Jahren. Meistens sind es alte und kranke Hunde.” Man sehe es den Menschen an, dass die sich nicht leichtfertig von ihnen trennten.

Hees glaubt nicht, dass diese Menschen die Wirtschaftskrise nur als Vorwand benutzen, um Tiere loszuwerden, die ihnen zu anstrengend sind. Er glaubt den Menschen, dass sie das Geld einfach nicht mehr haben: „Wenn einer in den Hartz-IV-Regelsatz rutscht, vom Staat kein Geld für Haustiere kriegt, ein Hund im Schnitt aber hundert Euro im Monat kostet – wie soll der das bezahlen? Wir verstehen die Not dieser Menschen.” Da helfe es oft auch nichts, dass viele Tierärzte den offensichtlich Armen Rabatt gäben.

Hees verweist auf die Hündin Mara, die für seinen Verein eine Art Symbol geworden ist. Irgendjemand hat sie nachts vor einem Tierheim angebunden und einen Brief hinterlassen, in dem neben vielen praktischen Hinweisen steht: „Mein Herrchen konnte mich leider nicht mehr halten, da es ihm gesundheitlich und finanziell sehr schlecht geht.”

Es fehlt Geld für Strom und Futter

Für die Heime ist die Entwicklung doppelt problematisch: Einerseits steigen die Kosten, weil sie zusätzliche Tiere pflegen und füttern müssen, „andererseits gehen die Spenden seit der Krise zurück”, sagt Hees. Beim Albert-Schweitzer-Tierheim in Essen etwa kommt 20 Prozent weniger Geld von Privatleuten an. „Viele schreiben uns, dass Sie ihren Job verloren haben”, so Leiterin Bärbel Thomassen.

„Die kleinen Vereine, die ausschließlich aus Gutmenschen bestehen, drückt es jetzt richtig kaputt”, sagt Ralf Unna, Vizepräsident beim Landesverband des Deutschen Tierschutzbundes in NRW. „Ihnen fehlt Geld für Strom und für Futter.” Unna weist auf ein anderes Problem hin, das eher die Einnahmen der großen Vereine betrifft: „Die finanzieren sich oft stark über die Zinsen aus Stiftungen, und die gehen beim jetzigen Kapitalmarkt natürlich zurück.”

Häuser kurz vor der Insolvenz

Ein großer Tierschutzverein in Köln mache – weil all diese Probleme zusammenträfen – aktuell zehnmal soviel Minus wie sonst: 500 000 Euro statt 50 000. Erste Reaktion: Ausbildungsstopp, weitere dürften folgen. Aus dem „Feuerwehrfonds” des Landesverbands für die Heime und Vereine, die unverschuldet in Finanznot geraten, seien schon jetzt so viel Gelder geflossen wie fürs komplette Jahr 2008.

Der Dachverband bestätigt, dass andere Bundesländer die gleichen Probleme haben. Er hat in 200 der über 500 angeschlossenen Tierheime nachgefragt. Ergebnis: Die Spenden gehen um 62 Prozent zurück, die Menschen geben gehäuft Tiere ab – plus 26 Prozent). „Das sind markante Zahlen, die uns sehr treffen”, klagt der Vorsitzende Wolfgang Apel. Er warnt: Die ersten der oft ehrenamtlich geführten Häuser stünden kurz vor der Insolvenz. „Wir benötigen, um den Tierschutz mittelfristig zu stützen, 15 Millionen Euro.” Das Schweriner Tierheim probiert auf seine Weise an Geld zu kommen: Es bietet auf seiner Internetseite vorgedruckte Testamente an.

Mit Zeitungen zusammenarbeiten

Manfred Hees fordert, jetzt nicht zu resignieren, sondern aktiv zu werden: „Wir können die Wirtschaftskrise nicht wegdiskutieren! Die Tierheime sollten zum Beispiel stärker mit Zeitungen und Zeitschriften zusammenarbeiten, um neue Halter für Tiere zu finden.” Hees übt sich aber selbst mitunter in Galgenhumor: „Wenn wegen der Wirtschaftskrise weniger Menschen in den Urlaub fliegen, dann landen vielleicht auch weniger Tiere im Heim.”

Denn üblicherweise wird es dort mit den Sommerferien voll: Der Deutsche Tierschutzbund zählte in den vergangenen Jahren bundesweit durchschnittlich 70 000 Tiere, die von Urlaubern abgeschoben wurden.

mit ddp