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Fünf Monate nach dem Flug-Chaos durch die Aschewolke ist der Ärger bei einigen gestrandeten Urlaubern noch immer nicht verraucht. Die Fluggesellschaften ignorieren in vielen Fällen Entschädigungsansprüche. Die ersten Klagen laufen bereits.

Es sollte ein Traumurlaub auf den Seychellen werden, an den man sich noch lange erinnert. Doch fast ein halbes Jahr nach dem Aschewolke-Chaos durch den isländischen Vulkan Eyjafiallajökull sind nur Ärger und Frust beim Ehepaar Kern geblieben. „Wir fühlen uns nicht nur im Stich gelassen, sondern regelrecht verarscht“, sagt Dr. Helmut Kern im Gespräch mit DerWesten. Seit Monaten kämpft er mit der Fluggesellschaft Condor um die Übernahme der zusätzlichen Flug- und Übernachtungskosten. Erst nach ausführlichem Schriftverkehr und der Drohung einer Klage durch seinen Anwalt hat Condor mittlerweile einen Teil des Geldes überwiesen.

„Viele Fluggesellschaften verweigern gestrandeten Passagieren die Erstattung der Hotel- und Verpflegungskosten. Stattdessen versuchen sie das Problem auszusitzen“, erklärt Reiserecht-Anwalt Holger Hopperdietzel. Er vertritt rund 50 Mandanten im Streit mit mehreren Airlines nach der Aschewolke. „Die Fluggesellschaften verhalten sich eindeutig unrechtmäßig, wenn sie die Zahlungen verweigern. Sie bewegen sich nur, wenn man Druck auf sie ausübt“, so Hopperdietzel. Schließlich könne das bei rund 100.000 betroffenen Passagieren eine teure Angelegenheit werden.

Viele Airlines weigern sich unter Berufung auf „höhere Gewalt“

Der Anwalt verweist auf eine „eindeutige Rechtslage“ durch die Fluggastverordnung der Europäischen Union 261/2004. Demnach müssen die Fluggesellschaften Betreuungsleistungen wie Getränke, Verpflegung und – wenn nötig – auch Hotelzimmer bezahlen. Doch viele Airlines weigern sich unter Berufung auf „höhere Gewalt“.

So hatte Condor mit dem Verweis auf „höhere Gewalt“ auch den Beförderungsvertrag mit dem Ehepaar Kern gekündigt, als diese auf den Seychellen festsaßen. „Dabei hatten wir kurz vorher noch ein Fax erhalten, dass sich unser Rückflug wegen der Aschewolke um 48 Stunden verschieben würde und die Kosten für die Übernachtung übernommen würden“, erinnert sich Helmut Kern. Deshalb versuchte der Urlauber mit Condor über die Hotline in Verbindung zu treten - ohne Erfolg. Das Resultat waren lediglich Telefonkosten in Höhe von 150 Euro.

Per E-Mail kam schließlich das Angebot eines Rückfluges – allerdings erst für einen Termin 14 Tage später, obwohl über deutsche Reisebüros auch Rückflüge nach sieben Tagen angeboten wurden, so Kern. „Wir sind schließlich auf eigene Faust eine Woche früher mit Air France zurück in die Heimat.“ Nun kämpft das Ehepaar um die Rückerstattung zusätzlicher Kosten: „Schließlich besteht nach der Kündigung des Beförderungsvertrages eine Schadenersatzpflicht durch die Fluggesellschaft“, hat Kern von seinem Anwalt erfahren.

Notfalls vors Gericht

Erst nach mehrmaligen Anschreiben und der Drohung mit dem Gang vors Gericht, hat das Ehepaar mittlerweile einen Teil des geforderten Geldes erhalten. „So wurde uns eine Pauschale für Unterkunft und Verpflegung bezahlt – laut Condor allerdings nur aus Kulanzgründen“, sagt Kern verärgert. Zudem habe die Fluggesellschaft den Ticketpreis für den eigentlichen Rückflug erstattet – bisher aber nicht die Differenz zu den Flugtickets von Air France. Das sind noch einmal 1500 Euro, deren Zahlung das Ehepaar notfalls vor Gericht erstreiten will.

Beim Luftfahrt-Bundesamt sind rund 270 Beschwerden im Zusammenhang mit der Aschewolke eingegangen. Bei der Mehrzahl geht es um Erstattungsforderungen der Fluggäste. Doch obwohl das Amt als national zuständige Beschwerdestelle fungiert, wurden noch keine Bußgeldverfahren gegenüber Airlines eingeleitet. „Das Luftfahrt-Bundesamt legt bei Aschewolkefällen den Schwerpunkt seiner Arbeit darauf, zwischen den Luftfahrtunternehmen und den betroffenen Fluggästen zu vermitteln.“

Lufthansa zeigt sich kulanter

Die Airlines geben sich relativ wortkarg bei dem Thema. Condor weist auf DerWesten-Anfrage lediglich daraufhin, dass jeder Einzelfall geprüft werde, gibt aber keine tiefergehenden Auskünfte. Auch bei Air Berlin würden die Aschewolke-Fälle in Bezug auf teurere Rückflüge und Betreuungskosten einzeln untersucht. „Es gab einige wenige Klagen“, so die Pressestelle auf DerWesten-Anfrage. So gut wie alle Anfragen seien zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ergebnis gebracht worden. „Die Lufthansa verhält sich in vielen Fällen wesentlich kulanter. Meine Mandaten haben bisher alle die ihnen zustehenden Entschädigungen erhalten“, erzählt Reiserecht-Anwalt Hopperdietzel.

Das Luftfahrt-Bundesamt weist derweil daraufhin, dass alle von Flugstörungen betroffenen Gäste, ihre zivilrechtlichen Ansprüche unmittelbar gegenüber den Luftfahrtunternehmen geltend machen müssen. Doch nicht viele Geschädigte besitzen so viel Durchhaltevermögen wie das Ehepaar Kern: „Aus Angst vor einem Rechtsstreit resignieren viele Aschewolkeopfer und bleiben auf ihren Kosten sitzen“, sagt Hopperdietzel. Der Anwalt hat in vielen Fällen bereits Klage erhoben. Voraussichtlich im Oktober starte sein erster Prozess gegen eine Airline.