Essen. Die Bereitschaft bei den Berufsgruppen, die ab Montag als erste zum Schutz vor der Schweinegrippe gepikst werden sollen, ist ausgesprochen gering. Der überwiegende Teil der Bevölkerung scheint eine Immunität gegen das Angebot entwickelt zu haben.
Stell' Dir vor, es ist Impfung – und keiner geht hin. Am kommenden Montag soll die flächendeckende Schutzaktion gegen die Schweinegrippe beginnen, doch der überwiegende Teil der Bevölkerung scheint eine Immunität gegen dieses Angebot entwickelt zu haben. Auch im Ruhrgebiet.
Nun mag man einwenden, dass die Resonanz auf den Impfaufruf in den Herbstferien naturgemäß verhalten ausfällt, weil sich viele Menschen in den Urlaub verabschiedet haben. Doch das allein reicht nicht als Erklärung. Der Anteil jener Menschen, bei denen die Vorbeugung gegen H1N1 nicht sticht, ist hoch.
So hatte sich die städtische Telefonzentrale in Duisburg für die Tage kurz vor dem Beginn auf eine regelrechte Anruf-Epidemie eingestellt. Doch die Zahl der Fragen zur Schweinegrippe-Impfung hielt sich in eng gesteckten Grenzen, wie Stadtsprecherin Anja Huntgeburth mitteilte. Aus den Reihen der Verwaltung seien nur vereinzelte Nachfragen zum Thema gekommen.
Von Panik keine Spur
Die Mitarbeiter des Herner Gesundheitamtes mussten manchen Menschen erklären, dass die Impfung keinesfalls Pflicht ist. Ja, wenn das so ist . . . Von Panik so gar keine Spur mehr.
Dr. Werner Kirchberg, Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung Emscher-Lippe in Gelsenkirchen, schätzt die Impfbereitschaft in der Bevölkerung auf etwa 20 Prozent. Die Mischung aus Zurückhaltung und Verunsicherung lastet er dem öffentlichen Umgang mit dem Thema an. „Das hat die Politik versaubeutelt. Zu Beginn der Diskussion ist die Impfbereitschaft viel höher gewesen.”
Geradezu im Keller scheint die Bereitschaft bei jenen Berufsgruppen, die ab Montag als erste gepikst werden sollen. Das medizinische Personal gehe grundsätzlich sehr kritisch mit der Impfung um, weiß Andrea Wocher, Sprecherin der evangelischen Krankenhausgesellschaft Castrop-Rauxel/Herne mit rund 1700 Angestellten. Lediglich zehn bis 15 Prozent haben Bereitschaft signalisiert, das sei aber auch bei der normalen Grippe-Impfung der Fall.
Auch im Klinikum Dortmund sind die Vorbehalte von Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern anscheinend recht groß, hat Sprecher Thomas Kraft registriert, das Thema werde kontrovers diskutiert.
Essens Feuerwehrchef Ulrich Bogdahn gehört zu jenen, die verzichten. „Ich werde mich nicht impfen lassen. Aber meine Mitarbeiter können sich unabhängig von mir entscheiden. Ich rechne allerdings damit, dass viele meiner Mitarbeiter auf Grund ihrer medizinischen Kenntnisse aus dem Rettungsdienst sich gegen eine Impfung entscheiden werden.”
Verunsicherung hat auch in Arztpraxen um sich gegriffen. „Viele Patienten fragen, ob die Impfung überhaupt sinnvoll ist”, berichtet Dr. Olaf Besser, Internist in Bochum. Wenn überhaupt jemand frage.
Teil des Impfstoffs landet im Abfall
Bei Dr. Stephan Altmann, niedergelassener Allgemeinmediziner in Wanne-Eickel, halten sich die Fragen von impfwilligen Patienten nach der Schweinegrippe-Impfung „im Promillebereich”.
Vielmehr sei es so, dass sich jene Patienten, die den Schutz gegen die normale, sogenannten saisonale Grippe in Anspruch nehmen, vergewissern, dass der Impfstoff nicht auch gegen die Schweinegrippe wirkt.
Altmann selbst hielt die Aufregung um den H1N1-Erreger anfangs für übertrieben, doch nachdem er selbst Kranke in seiner Praxis behandelt hatte, setzte er den schützenden Pikser und bot sich als Impfarzt an. Allerdings herrscht unter den Medizinern teilweise große Unklarheit, wie die Impfaktion im Detail umgesetzt werden soll.
Eine Ursache der Unsicherheit: Das Serum gibt es nur im Zehnerpack und muss innerhalb von 24 Stunden verbraucht werden. So scheint es nicht ausgeschlossen, dass Impfärzte teilweise erst einmal auf die Suche gehen müssen, um zehn Impfwillige zu finden. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass ein guter Teil des Impfstoffs im Abfall landet.