Berlin. .

Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es noch tiefe Gräben zwischen Wessis und Ossis, so Berlins Bürgermeister Wowereit. Er wirft den Westdeutschen Ignoranz vor. Wowereit ist gegen eine Quotierung von Führungspositionen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat den Westdeutschen vorgeworfen, den Ostdeutschen nicht aufgeschlossen genug zu begegnen. „Im alten Westen wollen manche nicht wahrhaben, wie das Befinden ist“, sagte Wowereit der „Berliner Zeitung“. Das gelte selbst für Berlin, wo die Bevölkerung sich in den 20 Jahren seit der Wiedervereinigung am stärksten gemischt habe. In West-Berlin gebe es „Leute, die immer noch keinen Fuß in den Ostteil setzen und die Linkspartei für böse Kommunisten halten“, sagte der SPD-Politiker.

Er habe auch nie verstanden, wenn West-Berliner sich durch den rot-roten Senat vernachlässigt gefühlt hätten. In Ost-Berlin sei der Investitionsbedarf in den vergangenen Jahren nun mal deutlich größer gewesen. „Viele haben das akzeptiert, manche können es bis heute nicht“, sagte Wowereit. In diesem Zusammenhang nannte er auch die Debatten um das Schulpflichtfach Ethik. Die Initiatoren von Pro Reli hätten nicht verstanden, „wie diese Stadt tickt“. Umgekehrt gebe es aber auch immer noch Ostberliner, die „denken, in der DDR war alles schön“. Er finde beide Position furchtbar, sagte Wowereit.

Probleme durch spezielle Biografie

Der Bürgermeister hat sich, obwohl nur wenige Ostdeutsche Führungspositionen inne haben, gegen eine Quotierung bei der Vergabe von Spitzenposten ausgesprochen. „Ich finde wichtig, dass man 20 Jahre nach der Einheit nicht danach fragt, wo jemand herkommt, sondern dass sich das in der Weise normalisiert, dass in Führungspositionen Menschen mit ehemaliger Ostbiografie und welche mit Westbiografie vertreten sind“, sagte Wowereit der „Berliner Zeitung“. „Das zu quotieren und zu quantifizieren, ist schwierig.“

Die Ursache dafür, dass Ostdeutsche in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, sieht Wowereit in ihrer speziellen Biografie. Ihnen fehlten Jahre, „in denen andere im Westen die Chance hatten, beruflich in bestimmte Positionen zu kommen“. Zugleich konstatierte Wowereit, dass es bei Ostdeutschen heutzutage -anders als in den Jahren nach dem Mauerfall - keine Scheu mehr vor Führungspositionen gebe. Ein Beispiel sei der neue Präsident der Humboldt-Universität Jan-Hendrik Olbertz. Niemand sei auf die Idee gekommen, ihn wegen seiner Ost-Biografie nicht zu nehmen. Studien zu Ost-West-Befindlichkeiten hält Wowereit für überflüssig. „Man kann solche Untersuchungen ja machen, aber wozu? Wir können auch wissenschaftlich nachweisen, dass die meisten Deutschen keine Türken heiraten. Aber was sagt uns das?“, so Wowereit. (ddp)