Stuttgart. .
Die Ostdeutschen sind keine eigene Ethnie. Das hat das Arbeitsgericht Stuttgart entschieden. Damit verstößt es auch nicht gegen das Antidiskriminierungsgesetz, wenn Bewerber aus diesem Grund abgelehnt werden. Eine Bewerberin hatte mit dem Hinweis Minus-Ossi eine Absage erhalten.
Ostdeutsche können einem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart zufolge nicht gegen eine auf Grund ihrer regionalen Herkunft abgelehnten Stellenbewerbung wegen Diskriminierung klagen. Ostdeutsche seien kein eigener Volksstamm und könnten sich in solchen Fällen nicht auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berufen, teilte das Gericht am Donnerstag mit.
„Unter ethnischer Herkunft ist mehr zu verstehen als nur regionale Herkunft“, sagte der Vorsitzende Richter zur Begründung. Geklagt hatte eine gebürtige Ostberlinerin, die sich diskriminiert fühlt, weil sie bei einer Stellenbewerbung angeblich aufgrund ihrer Herkunft abgelehnt wurde.
Firma lehnt Vergleich ab
Zuvor hatte die beklagte Firma am Donnerstag einen Vergleich zur Zahlung von 1650 Euro an die abgelehnte Bewerberin abgelehnt. Der Vorsitzende Richter kündigte daraufhin an, bei seiner Entscheidung Berufung zuzulassen. Auch die nächste Instanz werde mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ Revision zulassen. Dadurch werde der Rechtsstreit „bis zu einem Jahr dauern“ und möglicherweise bis zum Bundesarbeitsgericht gehen.
Der beklagte Arbeitgeber hatte den Vergleich abgelehnt, weil er keine Schuld bei sich sieht. Geschäftsführer Rainer E. verwies darauf, dass dem Unternehmen durch die mediale Aufmerksamkeit „ein Riesenschaden“ entstanden sei. Es habe bereits weniger Aufträge. Zudem seien bis zu 100 beleidigende Anrufe auch bei ihm zu Hause eingegangen. Er bezeichnete das öffentliche Austragen des Falls als „Hexenjagd“ auf die Firma. Der Anwalt der Klägerin, Wolfgang Nau, zeigte sich enttäuscht und erwägt, Berufung einzulegen.
Gleichstellungsgesetz greift nicht
Im Kern musste das Gericht entscheiden, ob die Ostdeutschen ein eigener Volksstamm sind. Geklagt hatte eine gebürtige Ostberlinerin, die sich diskriminiert fühlt, weil sie bei einer Stellenbewerbung angeblich aufgrund ihrer Herkunft abgelehnt wurde. Die Frau macht einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geltend, wonach niemand wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit benachteiligt werden darf.
Gabriela S., die seit 22 Jahren im Großraum Stuttgart lebt, hatte sich im vergangenen Sommer bei dem Stuttgarter Fensterbauer beworben. Die 48-Jährige wurde abgelehnt. Auf den zurückgesandten Bewerbungsunterlagen hatte die Firma handschriftlich ein Minuszeichen vermerkt und dahinter das Wort „Ossi“.
E. zufolge wurde die Frau allein wegen ihrer mangelnden Qualifikation abgelehnt. Das Minus auf der Bewerbung sei ein Zeichen für die „fehlende Qualifikation“ gewesen. Der Ausdruck „Ossi“ sei positiv gemeint gewesen. Das Unternehmen habe „sehr gute Erfahrungen“ mit Mitarbeitern aus Ostdeutschland. Die rein „interne Notiz“ sei versehentlich an die Klägerin gelangt. Das Unternehmen habe sich damals telefonisch umgehend dafür entschuldigt.
Verständnis für die Klägerin
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, äußerte „absolutes Verständnis“ für die Klägerin. Sie sagte im SWR, Menschen dürften nicht aufgrund ihres Geburtsortes benachteiligt werden. Zur Vermeidung solcher Klagen müssten aber nicht unbedingt die Kriterien des Gleichbehandlungsgesetz erweitert werden. Probleme dieser Art seien zu vermeiden, wenn in Bewerbungsverfahren künftig „anonymisierte Lebensläufe“ vorgeschrieben würden. Ohne Angabe von Namen, Adresse, Geburtsdatum, Familienstand und ohne Foto-Beilage könne einer voreiligen Diskriminierung vorgebeugt werden.
Gabriela S. kann nun binnen eines Monats gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung einlegen, über die das Landesarbeitsgericht Stuttgart zu entscheiden hätte. (ddp/afp/apn)