Hvolsvöllur. .
Der Eyjafjallajökull ist alles andere als zur Ruhe gekommen. Er spuckt und raucht übermütig wie ein Halbstarker. Die Besucher von fern schüchtert das ein, die Isländer im Schatten des Vulkans bleiben eher cool. NRZ-Reporter Matthias Maruhn hat sie besucht.
Es ist zuerst das Geräusch, das die Nackenhaare kitzelt, das die Fluchtinstinkte leise weckt. Dieses basstiefe Grollen wie aus der Höhle eines tollen Bären, wie ein heranrollendes Gewitter gleich hinterm Kamm. Ein Rumoren, das Ungewissheit verkündend den Ausstoß der bleigrauen Wolken in den Himmel begleitet. Der Eyjafjallajökull ist alles andere als zur Ruhe gekommen. Er spuckt und raucht übermütig wie ein Halbstarker. Die Besucher von fern schüchtert das ein, die Isländer im Schatten des Vulkans bleiben eher cool.
Gudmundur Vidarsson (siehe Foto) ist 45 Jahre alt und selbst ein Berg. Seine kräftigen Hände verraten ihn, der weite und wollene Pullover kann es nicht verdecken: Gudmundur könnte wohl seine 140 Island-Ponys jeden Morgen einzeln auf seinen Armen zur Weide tragen und abends zurück. So steht er da auf seinem Hof Skalakot, gräbt die Hände tief in die Taschen und trotzt der Natur und den Fragen der Besucher. Ruhig erzählt er seine Geschichte.
Zunächst begannen die Hunde zu bellen
Es begann mit einem Zeichen, das er zunächst nicht deuten konnte. „Meine Hunde haben einige Stunden vor dem Ausbruch wild zu bellen begonnen. Ohne Grund, wie wir dachten.“ Stunden später kam für ihn wie für etwa 800 andere Anwohner die Warnung zunächst per SMS: „Ausbruch. Bitte evakuieren.“ Seine erste Sorge gilt den 40 Ponys, die noch draußen stehen. Die werden schnell in den Stall getrieben, erst dann bringt er sich mit seiner Frau, den drei Kindern, dem Schwiegersohn und dem Enkelchen auf dem Gemeindehof in Sicherheit.
Bald steht fest, dass hier keine Flutwelle, kein Magmastrom droht, dafür kommt nach drei Tagen die Asche. Sie fällt wie böser Schnee und macht alles Grün zu schwarzem Matsch. „Es war so dunkel, dass ich die Reithalle hier vom Haus aus nicht sehen konnte.“ Mit Daumen und Zeigefinger schätzt Gudmundur das Ausmaß: Mehr als fünf Zentimeter hoch bedeckte das feinstaubige Übel sein Land. Er nimmt den Kampf auf, Freiwillige von überallher an seiner Seite, 30 große Anhänger schaufeln sie voll, transportieren sie ab, der Regen wird zum besten Kumpan, nimmt den Rest Schmutz mit in die Erde zurück. Nur nicht in den Rohren, da verbinden sich Wasser und Dreck zu einem widerspenstigen Zement, der dem Pferde-Rancher bis heute mächtig Ärger macht.
Warum er nicht wegzieht von so einem gefährlichen Ort, fragen wir. Er versteht nicht recht. 300 Jahre lebe die Familie nun schon hier. Auch den großen Ausbruch von 1821 haben die Alten gemeistert. 1918 explodierte die Katla, der Vulkan vis-à-vis, 1947 die Hekla, der weiße Riese um die Ecke. Jede Generation hatte ihren Ausbruch und die Asche. Jetzt sei es eben an ihm.... Und außerdem: „Es ist doch niemand ums Leben gekommen. Ihr fahrt täglich auf euren deutschen Autobahnen, obwohl da Tausende sterben.“ Er schüttelt den Kopf. Und hofft, dass die Touristen schon bald zurückkehren auf den Hof Skalakot zu den 300 Schafen und 140 Ponys, mit denen sich so schöne mehrtägige Reittrips in die Berge machen lassen. Wenn der Vulkan es wieder zulässt.
Übermut und Neugier als größte Risikofaktoren
Wann das nun genau sein wird, kann keiner mit Bestimmtheit sagen. Nicht mal Dr . Martin Hensch, ein deutscher Geophysiker, der an der Universität von Island zur Expertengruppe gehört. Er hat auch die verstärkte Aktivität des Vulkans in den vergangenen drei Tagen gemessen, die zum vorübergehenden Sperren des Luftraums über Teilen von Schottland und Irland führte. Immerhin kann er in einem Punkt beruhigen. Für den vielerorts befürchteten Ausbruch der Katla, gegen deren Ausmaße der Eyjafjallajökull wie ein Zwergberg wirkt, gibt es messtechnisch keinerlei Hinweise.
So sind rund um den Vulkan Neugier und Übermut die größten Risikofaktoren. Da kennt sich wiederum Sveinn Runarsson bestens aus, Polizeichef im nahen Hvolsvöllur, sonst eher der Dorfsheriff, jetzt der Bewacher des Vulkans. Tatsächlich versuchen mitunter Touristen und Journalisten, die Absperrungen zu umgehen. Die größte Gefahr dabei ist nicht zu sehen, Gase giftigster Art. Trotzdem kraxeln Tollkühne los. Bis sie dann der Sheriff stellt. Oder bis sie das Grollen des tollen Bären hören.