München. Der Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk soll Anfang November beginnen. Das Landgericht München ließ die Anklage wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 27900 Juden jetzt unverändert zur Hauptverhandlung zu.
Als bewaffneter Wachmann im Vernichtungslager Sobibor soll Demjanjuk die Männer, Frauen und Kinder von den Zügen in die Gaskammern getrieben haben. Der 89-Jährige bestreitet das.
"Die Hauptverhandlung soll voraussichtlich Anfang November beginnen", teilte das Gericht am Freitag mit. Als Nebenkläger nehmen neun Männer und Frauen teil, deren Eltern oder Geschwister in Sobibor umgebracht worden waren. Ein Überlebender und ein ehemaliger Wachmann des KZ Flossenbürg sollen als Zeugen vor dem Schwurgericht auftreten.
Laut Anklage war der Ukrainer Demjanjuk als Sowjetsoldat im Mai 1942 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und schon wenige Wochen später von der SS im Lager zum Dienst in den "Fremdvölkischen Wachmannschaften" ausgebildet worden. Er habe sich die Rasse-Ideologie der Nazis zu eigen gemacht und im Sommer 1943 in Sobibor bereitwillig an der Ermordung von mindestens 27.900 Juden teilgenommen. Unbarmherzig und gefühllos habe er die Opfer aus den Waggons zum Appellplatz und dann in die Gaskammern getrieben, wo sie in einem halbstündigen Todeskampf in den Motorgasen erstickten. Die meisten Opfer seien aus dem niederländischen Lager Westerbork gekommen, mehrere hundert aus Polen und Russland.
Unschuld beteuert
Sobibor war im Unterschied zu dem meisten anderen Lagern der Nazis ein reines Vernichtungslager - alle Ankommenden wurden direkt in die Gaskammern getrieben. Der Staatsanwaltschaft zufolge war Demjanjuk von März bis September 1943 in Sobibor, danach im KZ Flossenbürg. Das sollen ein von der SS ausgestellter Dienstausweis sowie Verlegungslisten beweisen. Demjanjuk bestreitet alle Vorwürfe und beharrt darauf, dass er als Sowjetsoldat nur in deutscher Kriegsgefangenschaft gewesen sei.
Demjanjuk war im Mai aus den USA nach Deutschland abgeschoben worden und sitzt seither in München-Stadelheim in Untersuchungshaft. Ärzte erklärten den 89-Jährigen für verhandlungsfähig, wenn der Prozess höchstens drei Stunden täglich dauere. Bei einer Verurteilung drohen ihm 15 Jahre Haft.
Demjanjuk hatte sich nach Kriegsende in einem Auffanglager bei München registrieren lassen und war 1952 in die USA ausgewandert. Die US-Staatsbürgerschaft war ihm wieder aberkannt worden, als der SS-Dienstausweis aufgetaucht war. Wegen einer Verwechslung mit dem berüchtigten KZ-Wachmann "Iwan dem Schrecklichen" in Treblinka war er 1988 in Israel zum Tode verurteilt und erst nach sieben Jahren Haft freigelassen worden.
Zwischenfall bei Gerichtstermin
Demjanjuks Sohn John jr. sagte, die deutsche Justiz habe keinerlei Beweis und veranstalte einen «Schauprozess». Bei einem Gerichtstermin vor zwei Wochen hätten Justizbeamte seinem Vater «körperliches Leid» angetan, seither sei er bettlägrig und bekomme starke Schmerzmittel. Das bayerische Justizministerium erklärte, Demjanjuk sei auf dem Weg zur Ansicht des Dienstausweises aus dem Rollstuhl gefallen. Eine ärztliche Untersuchung habe aber keinen Befund ergeben. Er sei wohlauf und mittlerweile auch wieder mit dem Rollstuhl unterwegs, sagte Sprecher Anton Winkler. (AP)