Straßburg. In Selbstjustiz haben unbekannte Täter einen deutschen Arzt nach Frankreich verschleppt. Der 74-jährige Kardiologe wurde am Sonntag gefesselt vor dem Gerichtsgebäude in Mühlhausen gefunden. Er soll 1982 seine 14-jährige Stieftochter mit einer tödlichen Spritze ums Leben gebracht haben.
Nachdem Deutschland seine Auslieferung verweigert hatte, haben Unbekannte einen wegen Tötung eines Mädchens verurteilten deutschen Arzt nach Frankreich entführt. Der 74 Jahre alte Dieter K. sei am Sonntag nahe dem Gerichtsgebäude von Mülhausen gefesselt auf der Straße entdeckt worden, teilte die Justiz mit. An der Verschleppung beteiligt war möglicherweise der Vater des Mädchens, das K. getötet haben soll.
In Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt
Ein Pariser Strafgericht hatte K. 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Dem Kardiologen wurde vorgeworfen, seiner 14-jährigen Stieftochter Kalinka Bamberski 1982 in Lindau eine tödliche Spritze verabreicht zu haben. Laut dem leiblichen Vater des Mädchens wollte K. das Kind betäuben, um es zu vergewaltigen. Die deutsche Justiz lehnte jedoch die Auslieferung von K. ab, weil sich aus ihrer Sicht die Todesursache nicht klar feststellen ließ.
"Mein Mandant wurde gewaltsam in Deutschland entführt", sagte François Serres, der Anwalt des Verschleppten. Der 74-Jährige sei bei seiner Entdeckung im Gesicht verletzt und an Händen und Füßen gefesselt gewesen. Der Mediziner mit Wohnsitz in Scheidegg in Bayern wurde ins Krankenhaus gebracht und anschließend in Polizeigewahrsam genommen. Er werde die Haft für K. so bald wie möglich anfechten, sagte der Anwalt. Grund sei, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verurteilung in Frankreich wegen eines unzulässigen Verfahrens für ungültig erklärt habe.
Leiblicher Vater kämpft für Opfer
Der leibliche Vater des Opfers, André Bamberski, wurde ebenfalls festgenommen. Der in Südfrankreich lebende Rentner hatte sich in Mülhausen aufgehalten. Er gestand, die Polizei am Sonntagmorgen telefonisch auf den gefesselten K. aufmerksam gemacht zu haben. Der ebenfalls 74-Jährige versucht seit Jahren durchzusetzen, dass K. seine Strafe in Frankreich verbüßen muss. "Natürlich" verdächtige er Dieter K. nach Frankreich gebracht zu haben, sagte Robert Pince über Bamberski, der eine Organisation "Gerechtigkeit für Kalinka" gegründet hat. Pince: "Er kämpft seit 25 Jahren und er hat vielleicht das Gefühl gehabt, dass die Affäre im Sande verläuft."
Bamberski suche "keine Rache, sondern Gerechtigkeit." K. hatte seine Zulassung als Arzt 1997 in Deutschland wegen sexuellen Missbrauchs verloren. Das Landgericht Kempten befand ihn für schuldig, eine 16-jährige Patientin unter Narkose vergewaltigt zu haben. Er bekam dafür zwei Jahre auf Bewährung. 2007 wurde K. durch das Landgericht Coburg wegen Betrugs zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt, weil er seinen Beruf illegal weiter ausgeübt hatte. (afp)