Essen. Ein gern bedientes Klischee ist das von der zickigen Frau: Vasen werfend, nachtragend, klatschsüchtig. Übertrieben? Stimmt! Denn Männer sind genauso empfindlich und kompliziert. Es hat sich nur noch nicht herumgesprochen – vermutlich, weil sie in Filmen nie die Vase werfen dürfen.
Als Kind war ich immer ein bisschen neidisch auf die Jungen – zumindest, was Konflikte anging. Die legten Streitigkeiten nicht unbedingt elegant bei – es gab die gelegentliche blutige Nase – aber immerhin zügig. Bei den Mädels wurde der Streit zum Grabenkrieg, es wurden Allianzen geschmiedet und verbale Giftgasbomben gelegt. So entsteht Abneigung fürs Leben. Mit dieser romantischen Vereinfachung der Dinge wuchs ich auf. Und dann lernte ich Eddie kennen.
Eddie, die Primadonna
Eddie begann als Aushilfskellner in der Pizzeria, in der ich während meiner Schulzeit ein paar Jahre jobbte. Er war so charmant, wie es sich als Kellner eben gehört – und schwierig wie eine Primadonna. Ziemlich wichtig war übrigens, dass er sich vor Publikum als Chef anstellen konnte.
„Lilo, Süße, ein Milchkaffee! In dem bauchigen Glas, bitte.“
„Ja, klar.“
„Und eine runde Untertasse.“
„Jaha.“
„Und erst den Kaffee rein gießen, dann die Milch.“
„Jetzt hör mal, mein Lieber, ich habe dir das erst letzte Woche beigebracht, du musst mir nun nicht erklären, wie das geht!“
Danach herrschte drei Tage Funkstille. Was schwierig ist, wenn man zu zweit 15 Tische bedienen muss. Danach war er, als sei nichts gewesen. Ich atmete auf. Bis ich feststellte, dass die Versöhnung offenbar rein strategischer Natur war. Denn nun sprach er nicht mehr mit Tino.
Erste Zweifel
„Lilo, Süße, zweimal Vier Jahreszeiten für meinen Tisch drei.“
„Sicher. Aber warum sagst Du das nicht Tino?“
„Der kann mich mal.“
Eddie weilte nicht mehr allzu lange im Kreis der Kollegen. Tino entließ ihn ohne viele Worte. In meiner Vorstellung von der Cowboy-klaren männlichen Art, die Dinge zu klären, machten sich erste feine Risse bemerkbar. Eine Zicke, dieser Eddie...
Allein unter „Masch-Bauern“
Die Risse wurden zu Schluchten, als ich im ersten Studienjahr ins Wohnheim zog. Irgendjemand hatte sich ausgedacht, dass die Einquartierung der Erstsemester unter Gleichgesinnten die Eingewöhnung erleichtern würde. Was zu einem Flur voller angehender Maschinenbauer führte. Einem Flur, in dem genau ein Zimmer übrig blieb, als alle „Masch-Bauer“ versorgt waren. Die Vergabe an Germanistik-Geschichts-Studentin Lilo war vermutlich das Ergebnis einer Zimmer-Tombola – und zugleich der Beginn eines Augen öffnenden sozialen Experiments.
Wie die Dinge liegen, lag der Männeranteil bei den Masch-Bauern meines Jahrgangs bei stolzen hundert Prozent. Somit war ich die einzige Frau unter 29 Kerlen. „Super!“, dachte ich mir, als ich die Namensliste durchging: Kein Streit um die Steckdosen für den Fön, keine zugestellten Badezimmer. Und keine Zickenkriege. Wie ich mich irrte.
Eskalation mit Camembert
Es begann mit einem Käse-Diebstahl. „Hast du meinen Camembert gesehen?“, wollte der Karierte aus Zimmer 18 wissen.
„Nö. Willst du was von meinem Gouda?“
„Nein. Sowas darf man nicht einreißen lassen“, hörte ich noch, dann war er durch die Tür. Gut, dass das stinkige Ding weg ist, dachte ich, hat bestimmt einer in den Mülleimer geschmissen.
Am nächsten Morgen fand sich ein Zettel am linken Kühlschrank. „Leute! Gestern Abend wurde mein Camembert aus diesem Kühlschrank gestohlen (rot-weiße Schachtel). Ich erwarte Ersatz bis heute Abend. Hans“. Der Camembert kehrte niemals zurück. Dafür fand sich wenige Tage später ein Schloss am Kühlschrank. Karo-Hans wurde langsam größenwahnsinnig.
Schlüsselträger und Schlüsselverächter
Es folgte Hans’ frisch gewaschene Wäsche in einem Haufen auf dem dreckigen Boden. In der Maschine drehte sich die Trommel mit neuer Ladung. Es gab Getuschel, zusammengesteckte Köpfe. Das macht der nicht lange durch, dachte ich. Aber nein! Karo-Hans besaß offenbar Vertraute. Ihnen wurde sogar Zugang und Schlüssel zum verriegelten Kühlschrank gewährt. Der Flur spaltete sich in das Lager der Schlüsselträger und der Schlüsselverächter. Ich wahrte faszinierte Neutralität.
Es war ein sehr ruhiges Jahr mit den Masch-Bauern. Über dem Korridor lag gewöhnlich misstrauische Grabesstille, keine Tür stand lange offen, von Lebensfreude keine Spur. Zu dem Zeitpunkt, als jemand Anzeige gegen Unbekannt stellte, weil jemand seine Seidenkrawatten in den Trockner gesteckt hatte, wurde ein Zimmer bei den Germanisten frei. Ich verließ das Schlachtfeld umgehend, ohne Bedauern und mit einem Mehr an Lebenserfahrung.
Männer sind kein Stück einfacher gestrickt. Männer klatschen genauso ausgiebig, sie sind genauso unehrlich wie jede beliebige Frau und manche sind nachtragend bis an ihr Lebensende. Sie sind kein Stück besser als wir.
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