Oldenburg. David Webb Peoples hat in den 80ern für einen Film die Sportart Jugger erfunden. Seit diesem Sommer ist es eine offizielle Sportart. Hierbei kämpfen sich Fünferteams mit Hilfe von sogenannten Pompfen zum gegnerischen Mal vor, wo sie eine Schaumstoff-Gurke platzieren müssen.
Der Schlachtruf schallt laut über das Spielfeld der Uni Oldenburg. «Wir sind die Keiler, keiner ist geiler», brüllt die Mannschaft von Jann Heye Ksellmann. Der 26-Jährige ist Trainer und Vorstandsvorsitzender des Jugger-Vereins "Oldenburger Keiler». «Jugger» ist ein Trendsport, der nach Angaben von Ksellmann 20 Jahre nach dem Kinofilm «Jugger - Kampf der Besten» boomt - allerdings in Deutschland noch kaum bekannt ist. Ein Spiel dauert zweimal 100 Steine - ein Stein entspricht 1,5 Sekunden. Als Spielgerät dient ein aus Schaumstoff geformter Hundeschädel, der Jugg.
«Drei, zwei, eins - Jugger», ruft Ksellmann und das Spiel beginnt. Zwei Fünferteams laufen, von dumpfen Trommelschlägen begleitet. mit sogenannten Pompfen aufeinander zu. Pompfen. Das sind bis zu zwei Meter lange Polsterwaffen, die wie überdimensionierte Q-Tipps aussehen. Wer den Jugg zuerst ins gegnerische Mal platziert, erzielt einen Punkt. Das sieht von außen brachial aus, ist es nach Worten von Ksellmann aber nicht. Im Gegenteil: Die Sicherheit der Spieler sei wichtig, Team- und Fairplay werde groß geschrieben.
60 Mannschaften juggern in Deutschland
«Unser Jugger ist erstaunlich harmlos, obwohl es dicht am Film ist», sagt auch Ruben Wickenhäuser vom Jugger e. V. Berlin mit Blick auf den doch «sehr brutalen» australischen Streifen aus den 80er-Jahren. Darin kämpfen moderne Gladiatoren in der post-apokalyptischen Zeit des 23. Jahrhunderts um ihren Lebensunterhalt, indem sie von Dorf zu Dorf ziehen und juggern. Das von Regisseur und Drehbuchautor David Webb Peoples eigens für den Streifen erfundene Spiel lieferte die Vorlage für den Trendsport.
Und der hat nach Angaben von Wickenhäuser in den vergangenen Jahren in Deutschland zunehmend an Popularität gewonnen. 2003 wurde die Jugger-Liga gegründet, in der aktuell etwa 60 Mannschaften spielen. 2008 gab es in Berlin die erste Jugger German Open, bei der neben dem deutschen Team Jugger aus Australien und Irland antraten. «Es ist ein ziemlich einzigartiges Spiel», erklärt der 35-Jährige, der 2006 das Buch «Juggern statt Prügeln» veröffentlichte. «Es ist einerseits eine Mannschaftssportart wie Fußball, hat andererseits aber auch eine individuelle Komponente wie Fechten», erklärt Wickenhäuser.
Gurken- ersetzt Hundeschädel-Attrappe
Im Sommer dieses Jahres wurde Jugger nach Angaben von Keiler-Trainer Ksellmann durch die Aufnahme des Oldenburger Vereins in den niedersächsischen Landessportbund (LSB) zum ersten Mal in Deutschland offiziell als Sportart anerkannt. «Das war uns wichtig», sagt der 26-jährige Diplom-Kaufmann. Die Aufnahme wurde jedoch erst dadurch möglich, dass die Oldenburger Keiler auf die Hundeschädel-Attrappe als Spielgerät verzichteten. «Sie passte nicht zu den ethischen Grundsätzen des LSB», begründet Ksellmann die Entscheidung. Als Jugg dient jetzt eine längliche Schaumstoff-Gurke.
Die Spieler kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen. In Oldenburg sind nach Worten von Keiler-Trainer Ksellmann mit rund 60 Prozent überwiegend Studenten in den Mannschaften vertreten. Neue Mitstreiter werden in der Regel durch Mundpropaganda gewonnen. «Bei der Gründung unseres Vereins im Jahr 2006 hatten wir acht Mitglieder, heute sind es 64, darunter 20 Prozent Frauen», sagt der 26-jährige. Er kümmert sich auch um die Nachwuchsarbeit.
Als Schulsport geeignet
«Jugger ist für den Schulsport durchaus interessant, weil es eine Gruppensportart ist», erklärt Frank Harms. Der Sportlehrer hat das Spiel im vergangenen Jahr an den Berufsbildenden Schulen in Varel mit Schülern der zwölften Klasse ausprobiert. «Die waren alle hellauf begeistert», sagt der 44-jährige Pädagoge. Die Schüler hätten schnell gemerkt, dass einer allein das Spiel nicht gewinnen kann, dass jeder auf den anderen angewiesen ist, erzählt Harms. Gegen Jugger spreche allerdings der martialische Hintergrund, der so nicht auf die Schule übertragen werden könne.
«Mit dem Film haben wir, abgesehen von der Spielidee, nichts zu tun, wir sind Sportler», betont Ksellmann. «Man kann sich einfach unglaublich gut austoben. Außerdem mag ich die 'community'. Denn nach den Spielen wie beispielsweise dem Liga-Finale in Berlin wird gezeltet, gegrillt und geredet. (ddp)