Berlin. Fernsehkoch und „Bares für Rares“-Star Lichter darüber, warum Spießbürgertum auch positiv ist und was ihm an Städten nicht gefällt.
Am 1. Januar kann das Fernsehpublikum wieder einmal mit Horst Lichter auf Reisen gehen. Um 18 Uhr im ZDF läuft die neue Folge seiner „Traumrouten“, die diesmal von Meran nach Venedig führt. So sehr der 61-Jährige „Bares für Rares“-Moderator diesen Trip genießt, gibt es auch Dinge, die ihm große Sorgen bereiten.
Das Schlüsselwort Ihrer „Traumrouten“ ist „schön“, das Sie in der neuen Folge immer wieder gebrauchen. Was war für Sie das schönste Ereignis 2023 – einem Jahr, das ja auch voller Leid war?
Horst Lichter: Als ich erfahren habe, dass ich noch zweimal Opa werde. Ich habe schon sechs Enkelkinder, und jetzt sind zwei weitere unterwegs. Es gibt natürlich eine Vielzahl schlechter Nachrichten, aber es finden sich eben auch schöne Dinge, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Ansonsten kommen wir in einen Strudel, wo wir depressiv und panisch werden. So versuche ich den Menschen zu zeigen, dass es sich lohnt, sich auch mal den positiven Seiten zuzuwenden.
Sind Sie selbst manchmal in Gefahr, in diesen negativen Strudel zu geraten?
Lichter: Doch, ich mache mir mindestens die gleichen Gedanken wie alle anderen Menschen. Eigentlich haben wir als Spezies viel gelernt und sind viel intelligenter geworden, aber wir verstehen einfach nicht, wie wir miteinander umgehen sollen. Warum geben wir nicht das, was wir selbst gerne hätten, an andere – nämlich Höflichkeit, Freundlichkeit und Respekt? Aber diese Volkskrankheiten von Neid, Missgunst und Gier führen überall zu Unheil. Das macht mich immer wieder traurig. Trotzdem gebe ich nicht auf. Und meine Haltung vermittle ich auch an meine Kinder und Mitarbeiter.
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Fernsehkoch: „Auf dem Dorf ist man etwas höflicher und freundlicher“
In der Folge interviewen Sie unter anderem die Unternehmerin Judith Williams, die davon erzählt, wie sie einen Flirtkurs absolviert hat. Hätten Sie selbst so etwas gebraucht?
Lichter: Nein, ich wusste auch gar nicht, dass es so etwas gibt. Aber wenn ich den Mut gefasst habe, jemand anzusprechen, dann habe ich das Glück gehabt, den richtigen Ton zu treffen. Noch ein Wort zu Judith Williams – sie ist so ein Herz von einem Menschen. So etwas von höflich und freundlich erlebt man selten.
Geht uns diese Höflichkeit und Freundlichkeit im Alltag verloren?
Lichter: Ja, das ist das Schlimme. Das gilt vor allem für die Städte und Ballungsgebiete, wo alles unfassbar anonym abläuft. Deshalb lebe ich auch so gerne auf dem Dorf, da ist man etwas höflicher und freundlicher. Es ist außerdem sauberer, man achtet aufeinander. Man kann das auch als Spießbürgertum betrachten, aber wenn dem so ist, dann ist es sehr löblich, Spießbürger zu sein. Wobei ich ein großer Feind des Maulens und Nörgelns bin. Man kann über alles schimpfen, aber man muss anfangen. Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Also sollte ich mal losgehen. Ich alleine kriege die Welt nicht gerettet, aber ich höre nicht auf darüber zu reden, dass jeder etwas tun könnte.
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Sie selbst haben auf jeden Fall eine Sehnsucht nach dem ländlichen Leben...
Lichter: Ich komme vom Dorf, deshalb bin ich mein ganzes Leben entsprechend orientiert. Ich fahre sehr gerne mit meiner Frau in die Stadt, aber ich fahre noch lieber nach Hause. Aber egal, wo ich bin, ich höre nicht auf zu grüßen. Wenn Sie mich irgendwo sehen, werden Sie es erleben.
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Horst Lichter und seine Frau – das verbindet sie
Ihre Frau sieht das vermutlich genauso?
Lichter: Genau, selbst wenn sie zehn Jahre jünger ist. Wir sind beides Dorfkinder. Sie hat mit ihren neun Geschwistern auch sehr viel erlebt. Sie ist vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet und weiß, wie es ist, nichts zu haben. Dadurch lebt man bewusster und gibt mehr, achtet mehr und versucht als positives Beispiel durch die Gegend zu laufen, und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger.
Eine negative Schlagzeile im letzten Jahr war es, als „Bares für Rares“-Sendungen wegen Sportübertragungen entfielen. Hat Sie das überrascht?
Lichter: Das sind pragmatische Entscheidungen. Der Sport steht nun einmal auch ganz weit oben. Und solche Schlagzeilen verkaufen sich nun mal. Wenn eine der erfolgreichsten deutschen Fernsehsendungen ausfällt, dann lesen das eben viele Menschen.
Lichter: „Die Liebe überwindet alles“
Zurück zu den „Traumrouten“. Gibt es da eine Wegstrecke, von der Sie noch träumen?
Lichter: Es gibt in der Eifel kleine Dörfer, und neben denen stehen große Steine mit Namen von Familien, die in den 1910er Jahren auswanderten und ihr Glück in anderen Ländern und Kontinenten suchten. Ich habe davon geträumt, dass ich mit dem Motorrad durch die Eifel fahre, dann neben so einem Stein anhalte und mich frage, was aus diesen Menschen geworden ist. – Dann Schnitt, und ich fahre zum Beispiel durch Afrika und besuche die Nachfahren dieser Leute. Das ist immer noch ein Traum, aber die Frage ist, ob er sich erfüllen lässt. Denn dabei kommt auch der ökologische Aspekt ins Spiel, und die Frage, ob man da extra hinfliegen sollte. Aber es wäre auf jeden Fall eine wunderschöne Sache.
Nachdem Sie sich für menschliche Schicksale interessieren – was gibt Ihnen Hoffnung, dass es mit uns gut ausgeht?
Lichter: Es gibt irgendwo immer wieder Liebe und Empathie. Und damit einen Neuanfang. Ich hoffe, dass die Menschen das verstehen. Die Liebe überwindet alles.