Hamburg. Mit “Der goldene Reiter“ wurde er bekannt: Sänger Joachim Witt über seine Musik und warum er lieber die Finger von harten Drogen ließ.
Die Karriere von Musiker Joachim Witt ließe sich wohl gut mit einer Achterbahnfahrt vergleichen. Mit dem Hit "Der goldene Reiter" gelang ihm in den 1980er Jahren der Durchbruch. Er war ein Star der Neuen Deutschen Welle, einem Musikgenre der Achtziger. Doch nachdem die Musikrichtung zwischen 1983 und 1984 beendet war, gab es weniger Interesse an Witts nachfolgenden Werken. Wie hart die Zeit für ihn war, erzählt er im Interview. Witt ging mit seiner Familie nach Portugal und schaffte es in den Neunzigern wieder in die Charts. Kürzlich veröffentlichte Witt sein neues Album "Fels in der Brandung". Woher holt der mittlerweile 74-Jährige so viel Energie?
Joachim Witt: "Gehen Sie doch einfach mal ohne Mobiltelefon in die Natur"
Wer ist für Sie der Fels in der Brandung?
Joachim Witt: Bis zu ihrem Tod war das sicher meine Mutter, die mich in allem, was ich getan habe, stets unterstützt hat. Sie hat meinen großen Traum, Musiker zu werden, mitgetragen und mir nach Rückschlägen immer geraten, dranzubleiben. Und das in einer damals extrem auf Sicherheit und Normen fixierten Zeit. Heute sind meine Frau und meine Kinder mein größter Halt.
Lesen Sie auch: Gottschalk-Sohn – „Es gab Momente, in denen ich genervt war“
Im Song „Bäume“ zeichnen Sie ein recht düsteres Bild unserer Gesellschaft – appellieren gleichzeitig daran, dass wir uns wieder mehr erden und mit der Natur verbinden sollten.
Witt: Gehen Sie doch einfach mal ohne Mobiltelefon in die Natur, in einen Park oder einen Wald und lassen sich dort bewusst auf die wunderbare Energie ein, die sie dort umgibt. Immer dann, wenn ich mal mit persönlichen Problemen zu kämpfen habe und es mir seelisch schlecht geht, hilft mir diese natürliche Erdung dabei, um aus dem Tief herauszufinden.
Sprechen Sie auch mal mit Bäumen?
Witt: Oh ja, und manchmal umarme ich sie auch. Das mag im ersten Moment für viele Menschen ziemlich schräg und nach Öko-Esoterik klingen. Aber probieren Sie es doch mal selbst aus oder nehmen für den Anfang nur eine Pflanze in die Hand… Sich ganz bewusst auf die Natur einzulassen und deren positive Energie zu spüren und in sich aufzusagen, wirkt tatsächlich unglaublich beruhigend und spendet gleichzeitig neue Kraft.
Natur bedeutet Ihnen generell viel?
Witt: Absolut! Deshalb habe ich rund 20 Jahre auf dem Land am Rande eines 200-Seelen-Dorfs gelebt. Das war eine Phase in meinem Leben ohne feste Beziehung, in der ich mein Einsiedler-Dasein sehr genossen habe: Abends ganz alleine vor dem Haus zu sitzen, ein kleines Feuer anmachen, die Stille genießen und meine Gedanken schweifen zu lassen – das war herrlich! Später hat es mich dann wieder nach Hamburg gezogen, auch weil ich meine neue Frau kennenlernte und die Zeit einfach reif war, um wieder geselliger werden.
- Schlagerstar: Beatrice Egli über Liebe – „Sollen die Menschen spekulieren“
- Sängerin:Conchita Wurst – „Ich konnte das alles nie verarbeiten“
- Promi: Barbara Becker – Das ist mit allen meinen Ex-Partnern so“
- Moderatorin: Ina Müller über „LOL“ – „Es weht ein sehr rauer Wind“
Marianne Rosenberg: Darum singt Witt ein Duett mit ihr
„In unserer Zeit“ ist auf dem neuen Album ein Duett mit Marianne Rosenberg. Warum wollten Sie mit der Schlager-Ikone zusammenarbeiten?
Witt: Ich bin ein konsequenter Genre-Brecher! Und deshalb wollte ich für das Duett einen Star, der komplett andere Musik als ich macht. Außerdem habe ich Marianne bereits als junger Mann toll gefunden. Ich weiß noch genau, wie ich sie in der ZDF-Hitparade gesehen habe: Sie hatte ein umwerfendes Kleid an, sang den Song "Mr. Paul McCartney" und ich war hin und weg.
Auch interessant: „Precht fehlt die zentrale Eigenschaft eines Denkers“
Auch ein wenig verknallt?
Witt: Ich denke schon.
Haben Sie Frau Rosenberg das bei den Aufnahmen erzählt?
Witt: Nein, das wäre mir dann doch zu peinlich gewesen. Aber wenn sie es jetzt auf diesem Weg erfährt, dann sei es drum… (lacht) Auf jeden Fall war ich sehr happy, dass sie sofort zugesagt hat, weil sie den Song auch aufgrund seiner positiven Botschaft – miteinander anstatt gegeneinander – mochte.
Im Song "Jung" erinnern Sie sich an die wilden Jahre der Jugend. Wie wild war für Sie die Zeit nach dem großen Durchbruch mit dem Neue-Deutsche-Welle-Hit "Der goldene Reiter"?
Witt: Das ausufernde Leben habe ich Anfang der Achtzigerjahre nicht wirklich gesucht, was auch damit zusammenhing, dass ich zwischen 1976 und 1980 unter Panik-Attacken und Depressionen litt. Deshalb habe ich lieber die Finger von harten Drogen gelassen. Aber mit Alkohol ordentlich gefeiert habe ich damals schon.
Alkohol - die einzige Droge, die gesellschaftlich anerkannt ist…
Witt: Wohl wahr! Das Schräge daran ist, dass du dich meist noch dafür rechtfertigen musst und komisch von der Seite angeschaut wirst, wenn du nichts trinken möchtest. Nach dem Prinzip: Bist du etwa eine Spaßbremse oder gar ein trockener Alkoholiker? Das ist in meinen Augen eine total verquere Welt!
Das könnte Sie auch interessieren: Natalia Wörner: "Wir können nicht mehr so weitermachen"
Nach dem ersten Riesenerfolg während der NDW folgte ein Absturz, ihre Nachfolgewerke floppten. Wie sind Sie mit dem Wechselbad der Emotionen zurechtgekommen?
Witt: Abgesehen davon, dass ich mit dem Song-Text zu "Der goldene Reiter" meine eigene Zukunft vorhergesehen hatte – ich war hoch auf der Leiter und fiel dann ab – war das extrem hart für mich: Es hat mich sehr verletzt, dass man mich nur als einen von vielen Protagonisten einer populären Strömung betrachtet hat und dann im Grunde weggeworfen hat. Es ist sehr bitter, wenn du weiterhin schöne Kompositionen ablieferst, das aber leider keinen Mensch mehr interessiert und du hilflos zusehen musst, wie der Abriss deiner Karriere erfolgt.
Immerhin gab es damals privat ein kleines Happy End…
Witt: Wenn Sie auf meine Zeit in Portugal anspielen, dann definitiv! Ich bin nach dem krassen Karriereknick mit meiner damaligen Frau und den zwei kleinen Kindern nach Portugal in die Algarve gezogen, wo ich ein kleines Farmhaus gekauft hatte. Auch wenn es beruflich weiterhin sehr mühsam war und ich finanziell kämpfen musste, war das im Rückblick einer der schönsten und glücklichsten Zeiten meines Lebens.
Joachim Witt über Social Media: "Eine Sache ist allerdings übel"
Sie sind inzwischen 74 Jahre alt, trotzdem aber sehr aktiv auf Social Media wie Instagram oder TikTok unterwegs. Warum tun Sie sich das an?
Witt: Ich fand neue Medien immer schon extrem spannend und habe mir einen kindlichen Spieltrieb erhalten. Und es ist toll, dass ich auf diesem Weg direkt mit meinen Fans kommunizieren kann. Eine Sache ist allerdings übel.
Und zwar?
Witt: Die Altersdiskriminierung, die ich dort in Form von teilweise wirklich bösartigen und hasserfüllten Kommentaren erlebe. Sprüche wie "Sollte endlich in Rente gehen!" oder "R.I.P" gehören da zu den harmlosen Varianten.
Was macht das mit Ihnen?
Witt: Eigentlich müsste ich da ja drüberstehen. Aber es verletzt mich dann doch und bereitet mir schlechte Laune. Vor allem dann, wenn die abfälligen Bemerkungen von älteren Menschen kommt, die es doch eigentlich schön und inspirierend finden müssten, wenn ein Mann in meinem Alter immer noch mit Neugierde und offenem Herzen kreativ unterwegs ist und einfach Lust auf Leben hat.
Dieses Interview können Sie in der Langfassung im Funke-Podcast „Road to Glory“ hören.Dieses Interview können Sie in der Langfassung im Funke-Podcast „Road to Glory“ hören.