Köln. Ein bisher unbekannter Mann ermordet vor 35 Jahren eine Frau in der Kölner Altstadt. Jetzt beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder.
35 Jahre nach dem Kölner „Karnevalsmord“ an einer jungen Frau muss sich ein heute 56-jähriger Mann für die Tat vor Gericht verantworten. Am Montag begann am Kölner Landgericht der Prozess wegen Mordes aus Habgier und niedrigen Beweggründen an der 24-jährigen Frau. Der Angeklagte soll sie im Februar 1988 in der Nacht auf Karnevalssonntag in der Kölner Altstadt getötet haben, um an ihre Wertsachen zu gelangen - unter anderem an einen Brustbeutel mit Biene-Maja-Motiv, in dem sich ein 100 D-Mark-Schein befunden haben soll.
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Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte der Frau in jener Nacht gefolgt sein, als sie beim Feiern von einer Diskothek in eine andere zog. Hinter einem Imbisswagen soll er die junge Mutter dann angegriffen, geschlagen und mit ihrer Halskette erdrosselt haben. Die Frau erlitt der Anklage zufolge schwere Verletzungen an Kopf und Oberkörper. Durch die Drosselung mit der Halskette sei es zu einer „Zertrümmerung des Kehlkopf-Skeletts“ gekommen.
Motiv für die Tat sei gewesen, dass der Angeklagte an die Wertsachen der Frau habe gelangen wollen. Laut Staatsanwältin soll er einen Brustbeutel mit Biene-Maja-Motiv erbeutet haben, in dem sich ein 100-D-Mark-Schein befunden haben soll.
Sein Verteidiger erklärte nach Anklageverlesung vertretend für den 56-jährigen Deutschen: „Ich habe mit der Tötung und dem Tod der Frau nichts zu tun.“ Sein Mandant werde sich zu einem späteren Zeitpunkt detailliert einlassen. Vor Verhandlungsbeginn hatte der Verteidiger zu Journalisten gesagt, dass am Ende des Prozesses das herauskommen werde, was er schon lange wisse: Dass der 56-Jährige „die Tat nicht begangen hat“. Weiter sprach der Anwalt von einem „spärlichen Beweisergebnis“, das die Ermittler bislang vorgelegt hätten.
"Karnevalsmord" von 1988 vor Gericht: Entscheidender Hinweis durch "Aktenzeichen XY...ungelöst"
Gleich bei der ersten Zeugin wird klar, welche Schwierigkeiten sich in „Cold Case“-Prozessen ergeben: Nach 35 Jahren ist die Erinnerung von Zeugen recht eingetrübt. Die erste Zeugin, heute 58 Jahre alt, sagte aus, sie sei mit ihrem Hund Gassi gegangen und habe die Leiche des Opfers entdeckt. Das Gericht hält der Frau aber vor, was sie damals zur Polizei gesagt haben soll. Demnach habe die Frau die Frauenleiche vom Küchenfenster der Wohnung ihres damaligen Lebensgefährten entdeckt, bei dem sie übernachtet hatte. Die Zeugin erwidert, dass sie die Leiche auch vom Küchenfenster ges hen habe. Von wo sie die Leiche erstmals gesehen habe, könne sie heute nicht mehr erinnern: „Das ist 35 Jahre her“, sagte sie entschuldigend. Hauptbeweismittel in dem Fall ist jedoch eine DNA-Spur.
Den entscheidenden Hinweis gab ein Zuschauer der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“, wo der Fall mit einem Film vorgestellt wurde. Ein Anrufer berichtete, dass sein früherer Kumpel der 24-Jährigen in der Tatnacht von einem Taxistand aus gefolgt sei und in den folgenden Tagen sein Aussehen verändert habe. „Ohne den Zeugen wären wir nie auf den Verdächtigen gekommen“, sagt der Leiter der „Cold Cases“-Einheit der Kölner Polizei, Markus Weber. Ein DNA-Abgleich mit an der Leiche gesicherten DNA-Spuren ergab dann einen Treffer.
Seit einiger Zeit wird bei vielen Polizeibehörden ein verstärktes Augenmerk auf „Cold Cases“ gelegt. Vor allem durch die heutigen Möglichkeiten der Genanalyse besteht oft neue Hoffnung, noch nach Jahrzehnten den Täter zu finden.
Cold Cases im Fokus: "Rentner-Cops" sehen Aufklärungschancen
Das Land Nordrhein-Westfalen hatte vor zwei Jahren eine Reihe pensionierter Mordermittler eingestellt, die ungeklärte Tötungsdelikte seit 1970 noch mal unter die Lupe nehmen sollten. Ergebnis: Bei jedem dritten von mehr als 1100 ungelösten Mordfällen sahen die „Rentner-Cops“ Aufklärungschancen.
Durch die Vorarbeit der Pensionäre landeten allein bei der Kölner „Cold Cases“-Einheit fast 200 Altfälle, von denen ein Teil nun nach und nach erneut untersucht werden soll. „Wir haben bei der Mordkommission zwar immer schon auch Cold Cases bearbeitet, aber nur nebenbei“, erläutert Weber. Seine 2022 gegründete Einheit, die aus fünf Kripo-Beamten besteht, kann sich dagegen voll und ganz auf solche „kalten Fälle“ konzentrieren.
So haben die Kölner Ermittler im März rund 350 Männer zu einem DNA-Reihentest gebeten, um den 32 Jahre zurückliegenden Mord an einer Jugendlichen aufzuklären. Da die Ergebnisse bislang negativ ausfielen, sollen noch weitere Männer zur Abgabe einer Speichelprobe aufgefordert werden.
"Manche Mitwisser plagt das schlechte Gewissen"
Erst kürzlich war Weber wieder zu Gast bei „Aktenzeichen XY“, um einen Täter zu finden, der 1991 eine Taxifahrerin in Leverkusen mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt hatte. Einen bahnbrechenden Hinweis habe es danach aber nicht gegeben, sagt Weber.
Der „Karnevalsmord“ zeige jedoch, dass es sich lohne, auch nach Jahrzehnten mit einem Verbrechen an die Öffentlichkeit zu gehen: „Manche Mitwisser plagt das schlechte Gewissen oder sie haben das Geschehene verdrängt - und durch die Fernsehsendung kommt das Ganze bei ihnen dann wieder hoch.“ Zudem veränderten sich im Laufe der Zeit manchmal die Beziehungen zwischen Menschen, so dass man den Anderen nicht mehr schützen wolle - im Fall des Karnevalsmords etwa seien der Zeuge und der Verdächtige nicht mehr befreundet.
Für den Prozess hat das Kölner Landgericht zehn Verhandlungstage bis zum 24. Oktober angesetzt. (dpa)