Köln. Nach Durchsuchungen im Erzbistum Köln will Kardinal Woelki nun Anzeige erstatten, weil Journalisten vorab darüber informiert worden sein sollen.

Nach den Durchsuchungen wegen Meineid-Vorwürfen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki will der Geistliche Anzeige erstatten, weil Journalisten vorab darüber informiert worden sein sollen. „Was uns stört, ist nicht die Hausdurchsuchung, sondern dass die Information und der Termin offenbar an die Medien durchgestochen wurden“, sagte Woelkis Anwalt Björn Gercke der „Zeit“. Deshalb werde er im Namen des Kardinals Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses erstatten. Gercke vermutet das „Leck“ demnach bei der Polizei, nicht bei der Staatsanwaltschaft.

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Der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn sagte: „Wir werden versuchen, das aufzuklären.“ Die Staatsanwaltschaft habe kein Interesse daran, dass Maßnahmen von der Presse begleitet würden. „Uns macht das nur Ärger“, sagte er. Am Dienstag waren Gebäude des Erzbistums Köln durchsucht worden. Laut Willuhn waren Medienvertreter bereits vor Beginn der Maßnahmen vor Ort. Es sei verständlich, dass der Kardinal verärgert reagiere, wenn Ermittler kämen und er in eine Kamera blicke. Man habe sich das anders gewünscht.

Ermittlungen gegen Woelki: Anwalt hält Durchsuchungen für unnötig

Woelkis Anwalt Gercke hält die Durchsuchungen an sich für unnötig. „Unseretwegen hätte man die Durchsuchung nicht machen müssen, denn wir hätten alles, was die Staatsanwaltschaft braucht, auch freiwillig herausgegeben“, sagte er der „Zeit“. Eine solche Durchsuchung sei in den Augen juristischer Laien immer eine Vorverurteilung. Willuhn hatte am Dienstag betont, man sei zu dem Schluss gekommen, dass außer diesen Maßnahmen keine Möglichkeit bleibe, weiter Klarheit zu schaffen. Bei der Entscheidung spielte demnach auch eine Rolle, welche besondere Bedeutung der Fall für die Öffentlichkeit hat. Das sei bei der Entfaltung von Maßnahmen immer mitzubedenken.

Gegen Woelki wird wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides statt und des Meineids ermittelt. Der Kardinal soll über Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche mehr gewusst haben, als er öffentlich sagte. Gercke sagte der „Zeit“, er sei sicher, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder einstellen werde.

Sicherstellung von Dokumenten, die im Zusammenhang mit Woelkis Äußerungen stehen

Das Ziel der Staatsanwälte: Sie wollten Dokumente sicherstellen, die im Zusammenhang mit Äußerungen Woelkis stehen, in denen er laut Vorwürfen nicht die Wahrheit gesagt haben soll. Außerdem solle die innerbistümliche Kommunikation zu diesen Vorgängen erhoben werden, hieß es.

Zum einen ist da der Fall Winfried Pilz. Dem 2019 gestorbenen Sternsinger-Chef werden Missbrauchsvorwürfe gemacht. Woelki hat in einem presserechtlichen Verfahren versichert, erst von Juni 2022 an mit dem Fall befasst worden zu sein. Außerdem geht es um die Beförderung eines Priesters zum stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten. Der Pfarrer hatte Jahre zuvor mit einem 16 Jahre alten Prostituierten Sex gehabt, außerdem gab es Missbrauchsvorwürfe gegen ihn. Woelki versicherte in einer beeideten Aussage, bei der Beförderung dessen Personalakte nicht gekannt zu haben. „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“, erklärte er im März.

Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn gibt vor der Staatsanwaltschaft Köln ein Statement vor der Presse ab. Im Zuge der Meineid-Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki sind am Dienstagmorgen Gebäude des Erzbistums Köln durchsucht worden.
Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn gibt vor der Staatsanwaltschaft Köln ein Statement vor der Presse ab. Im Zuge der Meineid-Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki sind am Dienstagmorgen Gebäude des Erzbistums Köln durchsucht worden. © Thomas Banneyer/dpa | Thomas Banneyer/dpa

Diese Darstellung wird von einem Anzeigenerstatter aber angezweifelt, auch die Staatsanwaltschaft sieht einen Anfangsverdacht. In diesem Fall geht es um den Verdacht des Meineids. Darauf steht eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren.

In der Vergangenheit alle Vorwürfe bestritten

Woelki hat in der Vergangenheit alle Vorwürfe bestritten. Am Dienstag äußerte er sich zunächst nicht weiter dazu. Das Erzbistum Köln bestätigte die Durchsuchung und teilte mit, man bitte die Öffentlichkeit, eine ergebnisoffene Untersuchung nicht zum Anlass zu nehmen, Vorverurteilungen auszusprechen.

Auch die Staatsanwaltschaft Köln betonte die Unschuldsvermutung und die Tatsache, dass sich die Maßnahmen auf die Erhellung eines lediglich anfänglichen Verdachts richteten. Die Ermittler erklärten weiter, dass Woelki „in keiner Weise die aktive oder auch nur passive Vertuschung von oder gar Beteiligung an Missbrauchstaten zur Last gelegt wird.“ Die Die Aus- und Bewertung der am Dienstag sichergestellten Beweismittel wird geraume Zeit in Anspruch nehmen.

Rücktrittsaufforderung vom Papst

Der Kölner Oberhirte steht wegen seines Umgangs mit Missbrauchsvorwürfen schon länger in der Kritik. Papst Franziskus hatte ihn vor einiger Zeit aufgefordert, ein Rücktrittsgesuch bei ihm einzureichen. Das hat Woelki getan. Der Papst hat bisher aber nicht entschieden, ob er es annimmt - stattdessen will er nach eigenem Bekunden warten, bis sich die Lage im Erzbistum Köln beruhigt hat.

Nach den Durchsuchungen sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller der „Rheinischen Post“, es liege nun an Woelki, selbst zu entscheiden, ob er die Reißleine ziehe. „Allerdings zeigt sein bisheriges Verhalten, dass er an seinem Bischofsstuhl klebt und sein persönliches Wohlergehen über das der Erzdiözese Köln stellt“, kritisierte er. „Das ist das eigentliche Drama.“

Experte spricht von „einzigartigen Vorgang“

Schüller sprach von einem „einzigartigen Vorgang“, der zeige, dass staatliche Strafverfolgungsbehörden „erkennbaren Hinweisen auf eine Straftat“ nachgingen. Ob Rom darauf reagiere, sei offen, sagte er der Zeitung.

Nach weltlichen Maßstäben sei der Kölner Kardinal nicht mehr haltbar. „Nach kirchlichen Usancen kann es sein, dass der in dieser Angelegenheit völlig beratungsresistente Papst auf stur stellt und jetzt erst recht keinen Rücktritt annimmt, weil dies als Vorverurteilung gedeutet werden kann.“

NRW-Oppositionsführer fordert Ablösung Woelkis

Nach der Durchsuchungsaktion hatte auch SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott gefordert, den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki endlich abzulösen. „Das ist ein weiterer Akt in dieser traurigen Geschichte“, sagte der Oppositionsführer im nordrhein-westfälischen Landtag am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.

„Papst Franziskus muss sich im Klaren sein, was für einen Erdrutsch diese Vertrauenskrise in vielen Gemeinden gerade auslöst“, betonte Ott. „Es sind insbesondere auch viele konservative Christen, die schlicht die Schnauze voll haben.“ Die Kollateralschäden gingen über das Kölner Erzbistum und über die katholische Konfession hinaus. (dpa, epd)