Wanne-Eickel. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist noch nicht beendet. Die Teilnehmer des 24. WAZ-Wirtschaftsforums im „Mondpalast” in Wanne-Eickel waren sich darin einig, dass die moralische Aufarbeitung noch ausstehe.
In den ethischen Teil der Krisen-Debatte leitete WAZ-Wirtschaftschef Thomas Wels durchaus provokativ über. Er zitierte aus einem WAZ-Interview, in dem der Ferrostaal-Chef und Psychologe Matthias Mitscherlich die These aufstellte: Die Banken in der arabischen Welt seien sehr viel weniger von der Finanzkrise betroffen, weil die Banken nach muslimischen Regeln mit Geld kein Geld machen dürfen.
So weit will der emeritierte Essener Weihbischof Franz Grave nicht gehen. „Wir müssen uns nur auf den eigenen christlichen Werte-Kanon besinnen”, riet er. In der letzten Zeit habe die Ökonomie in der Gesellschaft aber allzu oft Vorfahrt gehabt. Grave: „Die Krise zeigt, dass wir einen Nachholbedarf bei der sittlichen Orientierung haben. Es ist Aufgabe der Kirche, den Menschen diese Orientierung zu vermitteln.”
Der Umgang mit Geld
Deshalb rief der Weihbischof dazu auf, den Dialog zwischen Kirche und Wirtschaft zu intensivieren, um gemeinsam Konsequenzen aus der Krise zu ziehen. Er forderte einen „ethischen Umgang mit Geld”. Grave: „Die Ethik will darauf aufmerksam machen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Das beste Kapital ist Menschennähe.”
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) pflichtete Grave bei: „Politik, Gewerkschaften und Unternehmen haben Probleme, sich zu verstehen.” Die Finanzkrise, die mit der Pleite der Lehman-Bank in USA begann, sei allerdings in erster Linie auf „moralisches Versagen” zurückzuführen gewesen. Der Politiker nahm aber nicht nur die Banken mit ihren riskanten Finanzprodukten ins Visier, sondern auch die amerikanische Regierung: „Präsident Clinton hatte seinerzeit ein Gesetz gemacht, dass Häuser auch zu hundert Prozent kreditfinanziert gekauft werden konnten.”
Dialog mit der Kirche
Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), forderte, auch Arbeitnehmer und Gewerkschaften in den Dialog einzubeziehen. In den Mitbestimmungsgremien trügen Betriebsräte längst Verantwortung für Unternehmen – ohne dabei Gesellschafter oder Eigentümer zu sein.
Auch Professor Michael Hüther, Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, hält es für nötig, dass künftig mehr Moral wirtschaftliches Handeln bestimmt. Er warnte aber auch vor zu hohen Erwartungen: „Eine marktwirtschaftliche Ordnung kann ohne individuelle Moral nicht auskommen. Unternehmerisches Versagen gehört aber auch zur marktwirtschaftlichen Ordnung.”