Essen. Für eine Veränderung des Ausländerrechts macht sich NRW-Integrationsminister Armin Laschet stark.
Die Vorschriften seien über 20 Jahre alt, entsprächen nicht mehr der gesellschaftlichen Realität. „Deutschland ist inzwischen ein Auswanderungsland. In Zeiten des demographischen Wandels und des Fachkräfte-Mangels brauchen wir einen stärkeren Blick auf die Potenziale der Menschen, die bei uns leben”, sagt er WAZ-Reporterin Hayke Lanwert.
Herr Laschet, Harut Vardanjan, ein junger Mann, der sich in seiner Schule engagiert hat, dem seine Lehrer hervorragende Perspektiven bescheinigen, ist nach Armenien abgeschoben worden. Was ist da schiefgelaufen?
Armin Laschet: Das ist aus humanitären Gründen ein eklatanter Fall, den wir hier erleben. Man hätte mindestens diesen Abschluss noch abwarten können. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen, wo Kinder bestens integriert sind, sie Chancen auf gute Abschlüsse haben, die Ermessensmöglichkeiten der Ämter optimal genutzt werden sollten.
Laut Information des Flüchtlingsrates NRW gibt es viele Ausländerbehörden im Land, die diesen Jungen nicht aus seiner Ausbildung herausgerissen hätten, um ihn abzuschieben.
Armin Laschet: Ja, das ist wohl so. Und es zeigt die Rechtsunsicherheit und wie unsere Regelungen sind. Sie stammen aus einer Zeit, in der wir ein Zuwanderungsproblem hatten. Vor 20 Jahren, als jährlich 400 000 Asylbewerber nach Deutschland drängten, zusätzlich Balkan-Flüchtlinge und Spätaussiedler, waren unsere Städte überfordert. Inzwischen ist Deutschland ein Auswanderungsland, sorgt der demographische Wandel für einen Mangel an qualifizierten jungen Leuten. Unabhängig von der humanitären Frage brauchen wir den Blick auf die Potenziale der Menschen, die hier leben. Es ist gerade absurd, qualifizierte und integrierte junge Leute, die Deutsch sprechen, abzuschieben.
Obwohl die Ausländerbehörde nach starkem öffentlichen Druck nun einlenkte und Harut Vardanjan eine Rückkehr ermöglicht, sitzt der 18-Jährige fest. Armenien stellt ihm keinen Pass aus, der für ein Visum nötig ist. Sehen Sie als Integrationsminister denn noch eine Möglichkeit, ihm zu helfen?
Armin Laschet: Das ist ja inzwischen von außenpolitischer Relevanz, was da stattfindet. Die einzige Möglichkeit ist jetzt, dass das Auswärtige Amt Armenien Interesse an der Rückkehr des jungen Mannes aus humanitären Gründen signalisiert. Ich werde jetzt den Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, bitten, die deutsche Botschaft in Eriwan zur Visaerteilung anzuweisen und der armenischen Regierung zu signalisieren, dass dieser Fall wichtig ist für Deutschland. Ich werde, soweit meine Möglichkeiten reichen, dafür sorgen, dass der junge Mann hier sein Abitur machen kann. Wir brauchen jeden qualifizierten jungen Menschen.