Istanbul. Die türkischen Behörden werden nach den heftigen Überschwemmungen in Istanbul und Umgebung stark kritisiert. Die Umweltschutzorganisation WWF spricht von Versagen. Eine Regen-Flut hatte mindestens 31 Menschen das Leben gekostet.
Nach den verheerenden Überschwemmungen mit mindestens 31 Toten in der Türkei werden die Behörden scharf kritisiert. Die Umweltschutzorganisation WWF spricht von Versagen. Illegale, aber von der Istanbuler Stadtverwaltung tolerierte Siedlungen, teilweise sogar in ausgetrockneten Flussbetten, seien bei Hochwasser besonders gefährdet, erklärte die Organisation am Donnerstag. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übermittelte den Menschen in der Türkei und Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ihre Anteilnahme.
Weitere Opfer befürchtet
In Istanbul und der Umgebung begannen die Aufräumarbeiten. Mit schwerem Gerät wurden Trümmer und angeschwemmtes Material auf einem Lastwagenparkplatz beiseite geschafft, wo am Mittwoch in einer Flutwelle 13 Fahrer ums Leben gekommen waren. Es wurde befürchtet, dass weitere Opfer entdeckt würden.
Die Gefahr weiterer Überschwemmungen war noch nicht gebannt: Für Freitag und Samstag sagten Meteorologen weitere heftige Regenfälle voraus. Die schwersten Niederschläge seit 80 Jahren hatten im Nordwesten der Türkei zu meterhohen Überschwemmungen geführt. Allein in Istanbul kamen nach offiziellen Angaben mindestens 20 Menschen ums Leben. 20 wurden verletzt, zum Teil bei dramatischen Rettungsaktionen.
Kanzlerin Merkel erschüttert
Mit Erschütterung habe sie von der schweren Flutwelle in Istanbul Kenntnis genommen, schrieb Merkel an Erdogan. «Ich möchte Ihnen und Ihren Landsleuten in dieser schweren Stunde die Anteilnahme der Menschen in Deutschland und mein ganz persönliches Mitgefühl übermitteln.»
Der WWF erklärte, neben den illegalen Siedlungen sei ein marodes Kanalisationssystem und eine Bebauung, die das Wasser daran hindere ins Meer abzufließen, für das Ausmaß der Katastrophe mitverantwortlich. "Die türkische Regierung und die Istanbuler Stadtverwaltung müssen angesichts der Flutkatastrophe unverzüglich reagieren. Zerstörte Siedlungen in Hochwasserrisikogebieten dürfen nicht wieder aufgebaut werden", fordert der WWF Deutschland.
Türkische Justiz ermittelt
Die türkische Justiz nahm derweil Ermittlungen wegen der Todesfälle bei den Überschwemmungen und der Plünderungen auf. Im Mittelpunkt des Interesses stand der Tod von sieben Arbeiterinnen eines Textilunternehmens in einem firmeneigenen Bus, der von den Wassermassen erfasst worden war. Nach Presseberichten war der Bus nicht für die Personenbeförderung geeignet und hatte im hinteren Teil keine Tür und keine Fenster, die als Notausstiege hätten dienen können. Die sieben Frauen waren im Heck des Fahrzeugs ertrunken. Gegen den Inhaber der Textilfirma wurde laut einem Bericht des Nachrichtensenders NTV Haftbefehl erlassen. Auch ein leitender Mitarbeiter kam wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in Untersuchungshaft.
Die Plünderungen nach den Überschwemmungen vom Mittwoch werden von der Justiz ebenfalls untersucht. Nach Fernsehberichten wurden mehr als 60 mutmaßliche Plünderer von der Polizei festgenommen. Fernsehbilder hatten mehrere Dutzend Plünderer gezeigt, die Haushaltswaren und sogar Jagdgewehre aus liegen gebliebenen Fahrzeugen gestohlen hatten. (ap/afp)