Essen. Obst macht dick und Apfelkerne sind giftig: Um unser täglich Obst ranken sich viele Mythen. Aber welche stimmen? Wir klären zwölf Obst-Irrtümer auf.
Apfelkerne sind giftig und Superfruits können zaubern: Um das Obst, das wir (im Idealfall) täglich essen, ranken sich viele Mythen. Aber welche davon stimmen? Wir haben uns mit Prof. Georg Wittich in der Welt des Obsts umgesehen. Der Professor für Lebensmittelwissenschaften an der Hochschule Niederrhein meint: Ein Apfel am Tag ersetzt nicht den Arzt, ist aber ein guter Anfang.
An apple a day keeps the doctor away!
Schöner Spruch – aber aus der Luft gegriffen. Trotzdem solle man ihn sich ruhig zu Herzen nehmen, rät Lebensmittelchemiker Wittich. Zwar ist der Vitamingehalt eher mäßig im Vergleich zu anderem Obst. Aber Äpfel füllen den Magen gut, machen den ein oder anderen Schokoriegel überflüssig, regen die Verdauung an und liefern Ballaststoffe. Außerdem gibt's Äpfel an jeder Ecke zu kaufen – oft aus regionalem Anbau. Alles in allem kann man also sagen: Der Apfel ist kein Allheilmittel, aber ein sehr guter Anfang.
Superfruits sind die gesündesten Obstsorten.
Fraglich... Superfruits sind eine "Erfindung" der vergangenen Jahre. Aber ob die Mythen wahr sind, die sich um ihre sagenhaften Wirkstoffe ranken, ist fraglich: Einen Beweis für die Wirkung der Sekundärstoffe stehe noch aus, so Wittich. Schmecken tun Superfrüchte wie schwarze Johannisbeere, Heidelbeere oder Sanddorn beziehungsweise ihre Produkte jedenfalls fantastisch. Das ist aber auch nicht neu. Eine Superfrucht ist aber erwiesenermaßen super: Acerola hat 30-mal mehr Vitamin C als Zitronen.
Obst ist schlecht für die Zähne.
Jein! Natürlich greift Fruchtsäure den Zahnschmelz an, wie jede andere Säure aus kohlehydratehaltigen Lebensmitteln auch. Das ist völlig normal, erklärt Lebensmittelchemiker Wittich. Wichtig ist das richtige Zähneputzen: Egal, ob Gummibärchen, Cola oder Apfel – direkt nach dem Essen sollte man nicht putzen. Lieber eine Stunde warten oder kräftig mit Wasser spülen. Alternativ geht auch ein Glas Milch nach dem Essen: Kalzium neutralisiert die Säure. Übrigens: Auch "unsaure" Süßigkeiten schädigen den Schmelz. Der Zucker nährt Kariesbakterien, und die wiederum produzieren Säure.
Obst macht dick.
Jein! Klar wird man von Obst dick, wenn man zu viel davon isst, warnt Wittich. Warum sollte das bei Obst anders sein als bei anderen Lebensmitteln? Aber Obst ist immer ein besserer Snack als die meisten anderen. Trotz des (Frucht-)Zuckers liefert es zusätzlich Vitamine und Mineralstoffe – das kann ein Schokoriegel nicht. Außerdem enthalten Früchte viele Faserstoffe, die Wasser binden und Magen ein großes Volumen erzeugen. Obst macht also lange satt. Wer es allerdings bei einer Diät ganz genau nimmt, muss wegen der Fruchtzucker-Kalorien auf Gemüse setzen. Mit einem großen Aber: Süßes Obst mindert womöglich den Heißhunger auf Süßigkeiten. Und eine Diät soll doch auch Spaß machen...
Obst ist vegetarisch.
Nicht immer. Einige Obstproduzenten "veredeln" Äpfel, Birnen oder Zitrusfrüchte mit Wachs. Die Schicht schützt vor Austrocknung und glänzt werbewirksam hübsch. Aber das Wachs ist nicht immer vegetarisch – geschweige denn vegan: Es kommen auch Bienenwachs oder Schellack (aus Läusen) zum Einsatz. Allerdings verzichten deutsche Obstbauern laut eigener Aussage aufs Wachsen. Auch Bio-Obst aus dem Ausland gilt unter Veganern als unbedenklich. Bei konventionellem Obst kann man sich aber nicht drauf verlassen.
Nektar, Fruchtsaftgetränk, Konzentrat? – Direktsaft ist das einzig Wahre!
Fast richtig! Im Supermarktregal muss man genau aufpassen, zu welcher Packung man greift: Die "Guten" sind Direktsaft/Muttersaft und Saft aus Konzentrat – die "Bösen" sind Fruchtsaftgetränke und Nektar. Was drin sein darf, ist gesetzlich in der Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung geregelt (erfrischende Abkürzung: FrSaftErfrischGetrV). Fangen wir mit den Guten an. Experten sehen kaum einen Unterschied zwischen Direktsaft oder Konzentratsaft. Nur die Herstellung ist anders: Direktsaft wird gepresst und abgefüllt. Für Saft aus Konzentrat wird der Saft eingekocht. Dadurch wird der Transport billiger. Für die Saftherstellung wird dann wieder Wasser zugesetzt, und mitunter auch Gelatine oder andere Zusatzstoffe. Beide Saftarten enthalten 100 Prozent Fruchtanteil. Bei Nektar ist das anders: Hier sind nur 25 und 50 Prozent Frucht drin. Der Rest ist Wasser und Zucker (bis zu 20 Prozent!). Auch ein paar Zusatzstoffe sind erlaubt. Ganz hinten stehen Fruchtsaftgetränke. mit 6 bis 30 Prozent Fruchtanteil, viel Zucker, Zusätzen und Aromen.
In Dosenobst sind keine Vitamine.
Falsch! Dosenobst ist zwar (nicht nur genusstechnisch) eher zweite Wahl. Bei der Verarbeitung von Obst oder Gemüse geht eben immer ein bisschen flöten. Aber die Vitamine sind nicht gänzlich verloren, meint Lebensmittelexperte Wittich. Die Vitamine leiden je nach Verarbeitungsform: Einige B-Vitamine sind nicht hitzestabil, Ascorbinsäure kann Sauerstoff nicht leiden. Allerdings schwindet der Vitamingehalt mit der Lagerzeit. Wer bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum wartet, kann auch reines Wasser trinken
Wer erkältet ist, muss heiße Zitrone trinken – fürs Vitamin C.
Falsch! Natürlich braucht der Körper Vitamin C für ein starkes Immunsystem. Aber das braucht er immer – vor allem, um Erkältungen vorzubeugen. Wer sich erst mit einer Schnupfnase mit Vitamin C vollpumpt, kann's gleich bleiben lassen. Mit teuren Vitamin-C-Bomben aus der Apotheke wird man die Erkältung auch nicht los. Der Körper kann ohnehin nur eine begrenzte Menge Vitamin C aufnehmen. Der Rest wird ausgeschieden. Außerdem könnte es sein, dass Vitamin C beim Erhitzen leidet – aber das sei Spekulation, so Wittich.
Apfelkerne enthalten giftige Blausäure.
Ja, ja, stimmt schon. In vielen Kernen (Kirschen, Äpfel, Birnen etc.) stecken Blausäure-Verbindungen. Aber das seien nur geringste Spuren, beruhigt Wittich. Und selbst die können uns kaum etwas anhaben: Dafür müsste man sehr viele Kerne komplett zerbeißen und schlucken. Nach der Zersetzung im Magen müsste die Blausäure irgendwie zurück in den Atemtrakt – etwa durch massives Aufstoßen und Wieder-Einatmen. Theoretisch denkbar, aber praktisch unmöglich. Messbar ist der Blausäuregehalt allerdings woanders: In Obstbränden, bei denen die komplette Frucht samt Kern zum Schnapsbrennen verwendet wird.
Fruchtzucker ist gesünder als Haushaltszucker.
Falsch! Fruchtzucker und normaler Zucker (Saccharose aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben) haben gleich viele Kalorien. Fruchtzucker lässt sich auch nicht besser abbauen oder verwerten als weißer Haushaltszucker. Im Gegenteil: Bei manchen Menschen löst Fruchtzucker sogar Blähungen aus – sie haben Fructoseintoleranz. Aber auch im Haushaltszucker steckt Fructose. Saccharose besteht nämlich je zur Hälfte aus Fructose und Glucose. Viele Hersteller süßen ihre Produkte aber lieber mit reiner Fructose: Sie ist viel süßer als Glucose.
Man muss Obst vor dem Essen heiß abwaschen.
Falsch! Das diene nur dem Wohlgefühl, so Wittich. Es gehört heutzutage einfach zum guten Ton und hat sich so eingebürgert. Aber ein ungewaschener Apfel aus dem Supermarkt ist in der Regel nicht gesundheitsgefährdend. Keime lassen sich ohnehin nicht durch kurzes Waschen mit heißem Wasser abtöten. Sie lassen sich zwar von der Schale spülen und abreiben, aber mit Hitze hat das nichts zu tun. Dafür müsste das Obst schon ein paar Minuten ins 60-Grad-Bad. Und welche Beere macht das mit?!
Mit Kirschen oder Pflaumen im Bauch darf man kein Wasser trinken.
Falsch! Das ist ein Märchen, erklärt Lebensmittelchemiker Wittich. Im Netz findet sich ein möglicher Ursprung dieses Mythos': Früher war Trinkwasser mit Keimen belastet, die das halbverdaute Obst im Magen schnell gären ließen. Aber das ist kaum möglich. In der aggressiven Magensäure hat kaum noch ein Mikroorganismus Lust auf Arbeit.