Essen. Exoten wie Goji- oder Acai-Beeren werden als Superfood gefeiert. Doch Experten warnen vor zu hohen Erwartungen. Deutsche Beeren können oft mithalten.
Kennen Sie Goji? Maqui? Oder Acai? Es sind Beeren, doch diese Bezeichnung klingt fast wie eine Beleidigung. Gerne werden solch exotische Sorten als „Superfood“ bezeichnet und in einem Atemzug mit Wörtern wie „Vitaminbombe“, „Schlankmacher“ oder „Verjüngungskur“ genannt. Sagen wir es so: Ihnen werden derart viele heldenhafte Fähigkeiten nachgesagt, dass die Früchtchen eigentlich eine Rolle im nächsten James Bond bekommen müssten. Doch was steckt wirklich drin in den Exoten, die meist aus Asien oder Südamerika kommen? Hängen sie unsere heimischen Beeren wirklich ab?
Ein teurer Spaß: Bis zu 50 Euro für das Kilo
Den einen Vertrieb, der Deutschland mit Superfood füttern will, gibt es nicht. Die Vermarktung der Produkte läuft recht unübersichtlich. Auffällig ist, dass Foodblogger und Internethändler das Marketing vorantreiben. Daneben werden ständig neue Bücher herausgebracht, fast 400 können unter dem Stichwort „Superfood“ derzeit bei Amazon bestellt werden.
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Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beobachtet, dass sich so ein Produkt am Markt meist ähnlich entwickelt: Drei bis vier Jahre benötige es, um bekannt zu werden, die Preise steigen. Dann erreiche es seinen Zenit. Auf das Getrommel folgt der Discounter.
Das Kilo Goji-Beeren (getrocknet) aus China wird aktuell mit etwa 25 Euro gehandelt. Die in Patagonien wachsende Maqui-Beere gibt es bei uns vor allem als Pulver zu kaufen, 100 Gramm zu 20 Euro. Acai-Beeren kommen aus dem brasilianischen Regenwald, in Deutschland gibt es sie getrocknet zu ca. 50 Euro pro Kilo.
Und spätestens an diesem Punkt werden Experten skeptisch. Frische Beeren halten sich nicht lange, sie sind empfindlich. „Wenn sie weit entfernt wachsen, können sie uns meist nur im verarbeiteten Zustand erreichen. Dabei haben wir so viele gute Lebensmittel im eigenen Land. . .“, sagt Britta Klein, Wissenschaftsredakteurin beim Informationsdienst aid in Bonn. Sie empfiehlt: „Die Ruhe bewahren und nicht jeden Hype sofort mitmachen.“
Das Duell: Exot gegen deutsche Beere
Ernährungsexperten warnen vor überzogenen Erwartungen: „Das sogenannte Superfood kann den Speiseplan ergänzen, aber man sollte keine Wunder erhoffen“, sagt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Goji-Beeren beispielsweise enthielten zwar viel Eisen, Kalzium, Magnesium und Vitamine, ein nachgesagter Verjüngungseffekt sei aber nicht wissenschaftlich belegt. Die Verbraucherzentrale NRW stellt folgende Rechnung auf: Betrachtet man den Vitamingehalt im Verhältnis zur Energiemenge, verliert die blassrote Goji gegen die schwarze Johannisbeere. 300 Kalorien/100 Gramm bei getrockneten Goji stehen 39/100 bei frischen schwarzen Johannisbeeren gegenüber.
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Bei der Acai handelt es sich um eine Palmfrucht. Sie ist einen guten Zentimeter groß und dunkelrot bis schwarz. In der Werbung sprechen Anbieter gerne von einer „ungeheuren Konzentration an Antioxidantien und lebenswichtigen Fettsäuren“. Acai-Produkte sollen gegen Erschöpfung und Krankheiten sowie beim Abnehmen helfen. Laut Verbraucherzentrale sieht die Wirklichkeit etwas anders aus: Acai enthalte zwar reichlich Mineralstoffe und für eine Frucht sehr viel Kalzium. Dafür sei die Beere mit 250 Kalorien pro 100 Gramm recht kalorienreich. Der Gehalt an Antioxidantien sei mittelmäßig. Fazit der Experten: Wunder sind nicht zu erwarten.
Klein und tief violett – die chilenische Maqui-Beere könnte eine Schwester der Heidelbeere sein. Geworben wird mit einer „Stärkung des Immunsystems“ und einer „Entgiftungsfunktion“. Von einem enormen Antioxidantienwert ist die Rede. Dazu sagt die Verbraucherzentrale: „Die viel gelobten hohen Werte für Antioxidantien sind reine Laborwerte, die sich beim Menschen nach dem Verzehr nicht wieder finden.“
Fazit
Superfood – das klingt nach Leben auf der Überholspur. „Die Werbung suggeriert, dass man damit eine unausgewogene Ernährung ausgleichen kann, aber das ist nicht der Fall“, so DGE-Frau Restemeyer. Vielmehr komme es auf den gesamten Lebensstil an. Sicherlich steckten in vielen dieser „Wunderbeeren“ positive Inhaltsstoffe, aber die gebe es in heimischen Lebensmitteln auch – und meist zu günstigeren Preisen. Die Experten raten alle zu den frischen Beeren, die es jetzt gerade auf dem Markt oder im Garten gibt. Egal ob sie nun Brom, Heidel, Holunder, Preisel oder Johannis mit Vornamen heißen.