Palma de Mallorca. Mallorcas Hauptstadt knöpft sich die umstrittenen Pferdekutschen vor. Mittelfristig sollen die Droschken ganz aus dem Stadtbild verschwinden - ein möglicher Ersatz ist schon im Gespräch.
Vor Palmas Kathedrale machen die ersten Kutscher ihre Pferde startklar für den Tag. Einer striegelt mit Hingabe seinen Gaul, während ein anderer das Zaumzeug seines Tieres zurechtrückt. "Die Kutschfahrten durch Palmas Altstadt gibt es so lange wie den Tourismus. Diejenigen, die sie abschaffen wollen, haben keine Ahnung", poltert Manuel Vargas, der seit mehr als 25 Jahren im Geschäft ist.
An der beliebten Urlauberattraktion hängen laut Vargas derzeit die Existenz von 28 Kutscherfamilien, zu ihnen gehörten 61 Pferde. Ein Verbot würde ihn und seine Kollegen in die Arbeitslosigkeit treiben - und die Tiere vermutlich in den Tod. Es handele sich zum Großteil um ausrangierte Traber, die sonst keiner mehr haben will. "Die Alternative zum Kutschpferd wäre mit ziemlicher Sicherheit der Schlachthof", prophezeit Vargas.
In Palmas Rathaus hat der Tierschutz Einzug gehalten
Umstritten sind die Kutschfahrten in Mallorcas Hauptstadt schon lange. Erst im Frühjahr wurden nach dem Kollaps eines Pferdes auf Palmas Prachtmeile Jaime III. knapp 100.000 Unterschriften für ein Verbot gesammelt.
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Dass die Diskussion um die Zukunft der Pferdekutschen neu entfacht ist, liegt nun aber nicht allein an den Tierschützern, die seit Jahren ein Ende dieser "Tierquälerei" fordern - wie auch in Berlin, Rom oder New York. Ganz ähnlich wie in der US-Metropole, wo der neu gewählte Bürgermeister vor gut anderthalb Jahren das Verbannen der Kutschen aus dem Central Park ganz oben auf seine Agenda setzte, hat in diesem Sommer auch in Palmas Rathaus der Tierschutz Einzug gehalten. Mit Neus Truyol vom Linksbündnis Més hat die Stadt nach den Kommunalwahlen im Mai ihre erste Dezernentin für Tiergesundheit erhalten.
Arbeitszeiten der Tiere werden überprüft
Und die knöpfte sich umgehend die Pferdekutschen vor. Beim jährlich fälligen Medizin-Check der Tiere wird nun auch ein Bluttest verlangt, um etwa die Leberwerte zu ermitteln. "So können wir ausschließen, dass ein krankes Tier eine Kutsche ziehen muss", erklärte Truyol kürzlich bei einem Pressetermin. Zudem führen Stadtverwaltung und Palmas berittene Polizeieinheit seit August auch unangemeldete Kontrollen an den Haltestellen durch.
Dabei werden die Papiere der Kutscher und anhand von Chips die Arbeitszeiten der Tiere überprüft. Zulässig sind maximal acht Stunden, die Wege von den Ställen zur Haltestelle und zurück mit eingerechnet. "Doch viele Pferde waren früher nicht selten zehn Stunden und mehr unterwegs", sagt Truyol. Mittlerweile würden die Vorschriften sehr gut eingehalten - nur ein Tier, das überhaupt keine Erlaubnis als Kutschpferd hatte, habe man bislang aus dem Verkehr ziehen müssen.
Erschöpfte Pferde in praller Sonne - "Schlecht für das Image der Insel"
Doch am liebsten möchte Neus Truyol die Kutschen ganz aus Palmas Stadtbild verbannen. Vor allem Urlauber aus Deutschland und Großbritannien, wo Tierschutz seit jeher einen viel höheren Stellenwert genieße als in Spanien, mache der Anblick der erschöpften Pferde in der prallen Sonne und bei tropischen Temperaturen zu schaffen. "Das ist schlecht für das Image der Insel", ist die Stadträtin überzeugt.
Die Reaktion der Kutscher auf diese Ansage folgte freilich prompt. Nicht nur vom Entziehen der Existenzgrundlage war da die Rede. Gar Rassismusvorwürfen sah sich die Linkspolitikerin auf einmal ausgesetzt - bei einem Großteil der Kutscher handelt es sich schließlich um Roma. Um den sozialen Frieden zu wahren, ruderte Truyol schnell etwas zurück: "Wir wollen nicht, dass jemand arbeitslos wird, aber wir glauben, dass die Rundfahrten mit einem anderen Verkehrsmittel mehr Zukunft hätten." Ihr Vorschlag: Die Kutscher sollten auf Elektroautos umsatteln - was wieder an New York erinnert, wo der Bürgermeister einst elektrisch betriebene Oldtimer ins Gespräch brachte.
Stadt müsste Lizenzen teuer zurückkaufen
Elektroautos? Manuel Vargas, einer der Sprecher von Palmas Kutschern, schüttelt mit dem Kopf. "Wir lieben unsere Tiere und die Arbeit mit ihnen", sagt er und winkt einem älteren Urlauberpaar zu, das schließlich bei ihm in die Kutsche steigt. Den Leuten, vor allem Familien mit Kindern und Rentnern, die nicht mehr so gut zu Fuß seien, gefielen die Rundfahrten durch Palmas historische Altstadt. "So schnell werden wir deshalb nicht aufhören."
Zumal er und seine Kollegen für teures Geld erworbene und vor allem dauerhaft gültige Lizenzen besitzen. Im Falle eines Kutschenverbots müsste die Stadt diese entweder zurückkaufen oder Schadenersatz zahlen, was beides Summen im sechsstelligen Bereich kosten könnte. Dass die derzeitige Finanzlage solche Ausgaben nicht hergebe, ist auch Truyol bewusst. Aber vielleicht lasse sich ja mittelfristig eine Geldquelle - vielleicht irgendein EU-Fördertopf - auftun, um das Kapitel der Pferdekutschen doch ein- für allemal abzuschließen. (dpa)