München. . Thomas Thieme, der große Schauspieler aus Weimar, spielt für das ZDF den gestürzten Bayernboss Uli Hoeneß. Und zeigt Sympathien für ihn.
Er ist ein Schwergewicht deutscher Schauspielkunst auf der Bühne und im Film. Nun spielt der Weimarer Thomas Thieme (66, „Das Leben der anderen“, „Der Untergang“) den verurteilten Bayernboss Uli Hoeneß (63) im ZDF-Dokudrama „Der Patriarch“, zu sehen am 27. August um 20.15 Uhr. Frank Preuß sprach mit Thieme.
Uli Hoeneß polarisiert. Wo steht er bei Ihnen?
Thomas Thieme: Ich habe seine Performance als Manager in den letzten Jahren erlebt. Das war nicht immer sympathisch, aber immer authentisch. Damit konnte ich was anfangen.
Hoeneß hat sich in Talkrunden gern als besserer Politiker geriert. Empfanden Sie Schadenfreude, als er stürzte? Oder eher Mitleid?
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Thomas Thieme: Letzteres. Schadenfreude, das hat mich überhaupt nicht interessiert. Ich bin froh, dass es noch so ein paar Großfressen gibt. In unserer Branche ist Kinski weg, und seither ist tote Hose. Es gibt ja in unserer Branche so viel Palaver in Talkrunden, Äußerungen von Schauspielern, das ist ja jämmerlich.
Uli Hoeneß ist ein authentisches Großmaul
Sie meiden Talkrunden?
Thieme: Ich meide diese Veranstaltungen, weil ich nicht an Plauderrunden teilnehme. Wenn ich sowas will, organisiere ich mir das in meiner Stammkneipe. Da ist mir so ein authentisches Großmaul wie Hoeneß, der auch Ungesichertes rausballert, tut mir Leid, dann eher sympathisch als unsympathisch.
Waren Sie erschrocken über die öffentliche Reaktion auf Hoeneß?
Thieme: Inwiefern?
Vielen reicht es heute nicht mehr, wenn ein Prominenter verurteilt wird. Er soll am Boden liegen.
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Thieme: Natürlich hat mich das erschreckt. So wie mich Pegida und brennende Flüchtlingsheime erschrecken. Dieser unglaubliche Punk, der immer massiver in unserer Gesellschaft hochkommt, widert mich an. Ich will nicht Cassandra sein, aber man kann schon mit Skepsis in die Zukunft blicken, wenn das so weitergeht. Wie wollen wir denn zusammen leben, wenn es nur darum geht, den oder den kaputt zu machen, weil er woanders herkommt oder achtundzwanzig Millionen unterschlagen hat? Was sind achtundzwanzig Millionen? Das ist doch nur Geld.
"Wir dürfen dem Stammtischmob nicht die Regie überlassen"
Naja, ziemlich viel Geld.
Thieme: Interessant, dass die Emotionen bei achtundzwanzig Millionen hochkochen. Die Leute, die darüber reden, wissen doch gar nicht, wie viel das ist. Keiner von uns wird das je vor sich sehen. Da muss ich zehn- oder zwanzigmal leben. Trotzdem wird es kommentiert. Andererseits ist das Volkes Stimme. Die wollen jemanden zur Strecke bringen, das war schon immer so. Wir dürfen dem Stammtischmob nicht die Regie überlassen.
Sie haben Helmut Kohl gespielt, jetzt Hoeneß. Verbindet die Herren die Krankheit, zu glauben, dass man mit einer gewissen Machtfülle über dem Gesetz steht?
Thieme: Das ist aber auch das einzige, was sie verbindet. Ich habe eine wesentlich größere Sympathie für Hoeneß entwickelt als für Kohl. Ich habe mich auch redlich um Kohl bemüht. Ich wollte auch Kohl in die Seele blicken, habe dort auch was entdeckt, aber im Vergleich zu Hoeneß war das gar nichts. Hoeneß ist viel weicher, nicht herrisch im Sinne des Wortes. Klar, er hat auch mal gesagt, ,Jetzt haltet alle die Schnauze’, aber er hat nicht das Sendungsbewusstsein des Herrenmenschen, so wie es der gute Helmut hatte.
"Am 27. August können sich alle das Maul zerreißen"
Welche Wandlung hat Hoeneß denn im Prozess durchgemacht?
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Thieme: Das ist die Wandlung, die der Film zeigt. Von einem selbstbewussten Typen, der den Saal betritt und denkt, ich werde denen hier schon zeigen, wo der Barthel den Most holt, bis zu einem Mann, der mit offenem Mund und vollständig konsterniert diese dreieinhalb Jahre kassiert und wie ein Häufchen Elend mit seiner Frau den Saal verlässt. Ich nehme ihm ab, dass es ihn richtig erwischt hat, wie eine schreckliche Diagnose beim Arzt.
Was ist die größte Gefahr, wenn man einen realen Menschen spielt?
Thieme: Eine, die mich persönlich nicht interessiert: Dass die Leute sagen, der sieht doch gar nicht aus wie der Hoeneß, und der spricht auch nicht wie der Hoeneß. Aber das ist mir wurscht. Ich habe ja was anderes vor. Ich muss mein Programm machen, ich muss das spielen. Ich kann keine Umfrage machen: Wie würde euch der Hoeneß am besten gefallen? Am 27. August kommt der Film ins Fernsehen. Und dann können sich alle das Maul zerreißen. Oder sagen: Das hat er ganz gut gemacht.
Gab es Einmischungen?
Thieme: Erstaunlicherweise nicht, anders als bei Kohl. Hier hat niemand mitgemacht, aber doch kooperiert. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass Uli Hoeneß am Ende sagt: „Was haben die Filmfuzzis da gemacht?“