Berlin. Deutschland gehen längst die Pflegekräfte aus: Im Ausland nach Fachkräften zu suchen, ist dabei trotzdem für die meisten Unternehmen keine Option.
Was hilft gegen die Personalnot in der Pflege? Eine Lösung könnten Pflegerinnen und Pfleger aus dem Ausland sein – doch die Branche tut sich schwer damit: Nur jeder sechste Arbeitgeber hat schon mal versucht, Mitarbeiter für Pflegeheime oder Pflegedienste im Ausland zu finden – und nur jeder zweite Versuch war erfolgreich. Wie eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt, sind die Hürden hoch und die Anstrengungen gering – doch der Druck auf die Branche wächst.
200.000 Vollzeitkräfte fehlen bald in Deutschland
Experten schätzen, dass in 15 Jahren bis zu 200 000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen. Mehr als die Hälfte der Pflegebetriebe in Deutschland meldet bereits jetzt etliche offene Stellen – drei von vier Pflegeeinrichtungen, die derzeit vakante Stellen haben, finden es schwer, geeignetes Personal zu bekommen. Laut Studie hat damit kaum ein anderer Wirtschaftszweig in Deutschland so große Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden. Für die Untersuchung hatte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) knapp 600 Arbeitgeber in der Branche befragt.
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„Jede ausländische Pflegekraft, die hier ordentlich bezahlt und angemeldet wird, ist eine Bereicherung – nicht nur für die Pflegelandschaft“, sagte der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), dieser Zeitung. Sie müssten allerdings „sowohl fachlich als auch sprachlich über die nötigen Qualifikationen verfügen“.
„Gerade die Pflege lebt sehr von der Sprache"
Auf der Wunschliste der Pflegebetriebe stehen drei Punkte ganz oben: 67 Prozent fordern den Abbau rechtlicher Hürden, 73 Prozent hätten gerne mehr Informationsmöglichkeiten über Bewerber aus dem Ausland, nahezu alle wünschen sich bessere Angebote für Sprach- und Integrationskurse. Das sieht auch Laumann so: „Gerade die Pflege lebt sehr von der Sprache. Denn wer mich pflegt, muss mich verstehen können.“ Nach Ansicht von Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger zeigt die Pflegebranche, „wie weit Deutschland von einer gezielten und am Arbeitsmarkt orientierten Einwanderungspolitik entfernt ist“.
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Die meisten Pflegebetriebe hatten bislang in Spanien nach Fachkräften gesucht – es folgen Polen, Kroatien, Rumänien, Italien und Griechenland. Von denen, die noch nie im Ausland gesucht haben, will eine Mehrheit das auch künftig nicht tun: Sie versuchen stattdessen, das Betriebsklima zu verbessern, mehr Pflegeschüler auszubilden, höhere Löhne zu zahlen oder erfahrene Leute abzuwerben. Auch Laumann weiß: Ausländische Arbeitskräfte sind kein Allheilmittel. „Wir müssen unsere Hausaufgaben schon selbst machen und den Pflegeberuf hierzulande deutlich attraktiver gestalten.“ Dazu gehörten eine flächendeckende faire Bezahlung, bessere Ausbildungsbedingungen und mehr Vollzeitstellen in der Pflege.
Hohe Einsatzbereitschaft
Wer bereits mit ausländischen Pflegern arbeitet, macht in der Regel gute Erfahrungen: 60 Prozent der Arbeitgeber sind „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Vor allem die Einsatzbereitschaft wird gelobt: Jeder zweite Betrieb schätzt das berufliche Engagement der ausländischen Fachkräfte sogar höher ein als bei seinen deutschen Mitarbeitern.