Essen. . Der umstrittene Autor Jürgen Todenhöfer hat das Kalifat der IS-Milizen erkundet. Sein Buch ist ein spannender Report.

Für alle Fälle hatte er vier Giftkapseln im Reisegepäck – zwei für sich, zwei für seinen Sohn Frederic. Denn: „Ich wollte dem IS nicht die Entscheidung überlassen, wann wir sterben.“ Ganz ohne Dramatik geht es eben nicht, wenn Jürgen Todenhöfer mal wieder unterwegs ist in Afghanistan, Syrien, Palästina oder, wie jetzt gerade, im Herzen des „Islamischen Staats“ im Nord-Irak.

„Alltag“ im Kalifat

Zehn Tage lang erkundete Todenhöfer das Innenleben der berüchtigten IS-Milizen, beobachtete den „Alltag“ in dem Kalifat, sprach mit Dschihadisten und deren Gefangenen. Sein Report „Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat“, erschien nun als Buch (Bertelsmann Verlag, 17,99 Euro).

„Ich wollte die Wahrheit über den IS herausfinden“, beschreibt der 74-jährige Autor das Motiv für seine gefährliche Reise. Und man darf vermuten, dass „Inside IS“, wie schon Todenhöfers bisherige Bücher, den Weg in die Bestsellerlisten finden wird. Genau so darf man davon ausgehen, dass so mancher Rezensent wieder die Nase rümpfen wird über den „Friedensapostel“ (Spiegel), „Weltverbesserer“ (FAZ) oder „Prominenz-Journalisten“ (taz). Der Name Jürgen Todenhöfer steht für jenes Phänomen, wonach eine Persönlichkeit vom breiten Publikum gefeiert und von großen Teilen der Medien eher kritisch gesehen wird.

Eines ist stets sicher: Todenhöfer provoziert

Unumstritten ist: Jürgen Todenhöfer provoziert. Und Eitelkeit ist ihm, der 18 Jahre für die CDU im Bundestag und danach 22 Jahre im Vorstand des Burda-Medienkonzerns saß, nicht fremd. Seine Attitüde, im Grunde der einzig wahre Rechercheur der Hintergründe komplexer Vorgänge zu sein, nervt auch so manchen, der es eigentlich gut mit ihm meint.

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Vollends in die Kritik geriet Todenhöfer, als er 2012 den syrischen Despoten Assad interviewte, dem Diktator reichlich Gelegenheit zur Ausbreitung seiner wirren Thesen gab und auch sonst den Präsidenten, der sein Land in einen blutigen Bürgerkrieg führte, gegen den Westen verteidigte. „Wie Assad einen deutschen Denker vorführen durfte“, titelte damals süffisant „Die Welt“.

Einen ähnlichen Vorwurf dürfte sich Todenhöfer nun wieder einfangen. So gibt es in „Inside IS“ lange Passagen, in denen Milizionäre ausführlich zu Worte kommen, ohne dass der Autor unterbricht oder das Gesagte einordnet. „Ich bin nicht instrumentalisierbar“, wehrte sich Todenhöfer im Interview des „Stern“, der einen Vorabdruck des Buches brachte. Und: „Wenn jemand sagt, ich hätte härtere Fragen stellen sollen, dann soll er hinfahren und es tun.“

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Todenhöfer fuhr hin, begleitet von Sohn Frederic (31), der unbedingt habe mitreisen wollen und der die zehntägige Tour mit der Fotokamera dokumentierte. Daraus entstand, bei allen Einschränkungen, der spannende Report eines mutigen Chronisten, der klar Stellung bezieht. Jürgen Todenhöfers Urteil über den IS ist jedenfalls eindeutig: „Der IS ist eine mörderische Terrororganisation, für die es Erklärungen, aber keine Rechtfertigung gibt. Die planen Völkermord.“

„Wenn es eine Hölle gibt...“

Doch Todenhöfer wäre nicht Todenhöfer, keilte er nicht auch gegen den Westen aus: Politiker wie der amerikanische Ex-Präsident George W. Bush, dessen Vize Dick Cheney oder Großbritanniens früherer Premier Tony Blair seien „zumindest nach der Zahl ihrer Opfer noch schlimmere Terroristen“ als die Islamisten. Der Autor sieht eine Welt „voll mörderischer Kriegstreiber und mörderischer Terroristen. Wenn es eine Hölle gibt, werden sie sich eines Tages dort wiedertreffen“. Drunter tut Todenhöfer es nun mal nicht.

Aber auch in einem anderen Punkt bleibt sich Jürgen Todenhöfer treu. Wie schon bei seinen vorherigen Büchern will er mit den Honoraren für „Inside IS“ humanitäre Einrichtungen unterstützen. Diesmal soll das Geld syrischen und irakischen Flüchtlingen sowie Kindern im Gazastreifen zugute kommen.