Berlin. Anne Will wagte in ihrem Talk am Mittwoch den Rundumschlag zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Die Diskussion verlief erfrischend sachlich. Dennoch ging die Show daneben, weil sie sich in zu vielen Aspekten verzettelte. Und weil sich ein Talkgast, mal wieder, als eitler Selbstdarsteller gefiel.
Der Krieg in Afghanistan – nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zog auch die Bundeswehr in den Kampf gegen die Taliban. Heute, fast elf Jahre später, geht es scheinbar nur noch darum, möglichst schnell und möglichst elegant abzuziehen.
Wenn es 2014 soweit ist und die Afghanen weitgehend selbst für ihre Sicherheit sorgen sollen, ist das Risiko groß, dass das Land aufs Neue komplett in Chaos und Gewalt versinkt. Der Einsatz am Hindukusch - ein Krieg also, der die Opfer nicht wert war?
Ein klares Ja kommt dazu von Jürgen Todenhöfer. Dem ehemaligen CDU-Politiker, der seit 30 Jahren die Krisengebiete in Afghanistan, Iran oder Irak bereist und fast ebenso lange als Buchautor und Talkshow-Dauergast den Oberlehrer in Sachen Pazifismus gibt. Todenhöfer hat nie Zweifel, er weiß immer alles, hat stets für jeden einen gönnerhaften Ratschlag parat.
Todenhöfer: "Man hat die Soldaten in Afghanistan verheizt"
Bei Anne Will lief der 71-Jährige zu Höchstfom auf und nahm der Gastgeberin zeitweise sogar die Gesprächsführung aus der Hand. Er sagt: „Der Krieg hat sich nicht gelohnt. Er hat ein traumatisiertes Land hinterlassen. Man hat die Soldaten in diesem Krieg verheizt.“
Das ist starker Tobak, aber im Kern dürfte ihm ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland wohl zustimmen. Der Krieg, in dem die Bundeswehr mit gut 4500 Soldaten steht und der bisher 52 Soldaten der Truppe das Leben kostete, war hierzulande nie populär. In Umfragen sprach sich fast immer eine deutliche Mehrheit gegen den Einsatz aus.
Und die meisten wollten eigentlich nie wirklich wissen, was dort geschieht. Vielleicht liegt dies auch daran, dass der Afghanistan-Krieg noch komplexer und vielschichtiger ist, als solche Konflikte es ohnehin sind.
Verteidigungsminister räumt Fehler in Afghanistan ein
„Es gibt kein Schwarz und kein Weiß in Afghanistan“, sagt Thomas de Maizière (CDU), der Verteidigungsminister. Und er gesteht ein: Die Ziele zu Beginn des Einsatzes, nämlich binnen drei Jahren in Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu installieren, seien „zu optimistisch“ gewesen. Gleichwohl könnten die Bundeswehr-Soldaten dabei helfen, „ein Mindestmaß an Sicherheit“ zu gewährleisten.
Was nach dem Abzug der internationalen Truppen Ende 2014 geschieht, sei „unklar“, muss aber auch der Minister einräumen. Und Todenhöfer lächelt maliziös.
Bischof Overbeck warnt vor drohendem neuen Bürgerkrieg in Afghanistan
Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen und auch katholischer Militärbischof, hat da eine noch skeptischere Ahnung. Er sei sich „ziemlich sicher“, so Overbeck, dass das Land nach dem Abzug wieder im Bürgerkrieg versinke. Nach 30 Jahren Chaos und Gewalt brauche das Land mindestens genau so lange, den Weg in eine bessere Zukunft zu gehen.
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Soldaten, die am Hindukusch Dienst tun, sehen das ähnlich. „Wenn wir jetzt einfach gehen, war das hier umsonst“, sagt einer in einem Einspielfilm aus Afghanistan. Direkte, desillusionierende Worte.
Leid von Afghanistan-Soldaten eindringlich geschildert
Die Frage über Sinn, Unsinn oder Fortführung des militärischen Einsatzes ist also schon ein Thema für sich. Anne Wills Sendung litt daran, dass die Gastgeberin noch weitere, vielschichtige Aspekte des Einsatzes in die 75 Minuten packen wollte.
Etwa: Das Schicksal, das Leid der Soldaten. Eindringlich die Schilderungen der 35-jährigen Marita Scholz, die selbst drei Monate als Soldatin in Afghanistan eingesetzt war und deren Mann, ebenfalls Zeitsoldat, nach Einsätzen in Afghanistan, im Libanon und im Kosovo schwerst traumatisiert ist und die sich von der Bundeswehr alleingelassen fühlt. Bei weitem kein Einzelschicksal, wie auch Minister de Maizière zugab.
Oder: Die Frage der zivilen Hilfe für das geschundene Land. Die Brunnen, die dort gebohrt, die Schulen für Mädchen, die dort eingerichtet wurden. Viele kleine Siege, Rückschläge inklusive. Was geschieht damit, sollten die Taliban erneut ihr Schattenreich errichten?
Brisantes Thema bei Anne Will zerredet
Oder: Wie weit ist der Westen im Kampf gegen Terror? Wird Afghanistan erneut zum Rückzugsgebiet und Ausbildungslager für islamistische Terroristen, die sich derzeit jenseits der Grenze in Pakistan versteckt halten, so wie jahrelang El-Kaida-Chef Osama bin Laden?
Und, natürlich, Jürgen Todenhöfer schaffte es sogar, den Fall des Bundeswehr-Oberst Klein in dem Talk unterzubringen, der vor rund drei Jahren in Afghanistan den fatalen Befehl zur Bombardierung von zwei Tanklastzügen gab. Über hundert Menschen starben dabei. Minister de Maizière beförderte Klein in diesem Jahr zum General.