Tunis. Beim Anschlag auf das tunesische Nationalmuseum in Tunis sind am Mittwoch mindestens 24 Menschen getötet worden – darunter viele Touristen.

Das Massaker im Zentrum von Tunis hat weltweit Schock und Entsetzen ausgelöst. Fünf mit Kalaschnikows bewaffnete Terroristen verkleidet in Uniformen überfielen das berühmte Bardo-Museum und erschossen mindestens 22 Menschen, darunter 20 Touristen - das blutigste Attentat in der Geschichte des Landes seit seiner Unabhängigkeit 1956.

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Die Opfer stammten aus Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Kolumbien, Süd-Afrika und Spanien, erklärte die tunesische Regierung. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden weitere 42 Menschen verletzt, die meisten ebenfalls Touristen. Zwei der Täter konnte die Polizei bei der Stürmung des Gebäudes erschießen, dabei kam ein Beamter ums Leben. Nach den drei übrigen Attentätern wird noch gefahndet. Augenzeugen berichteten, die Terroristen hätten bei ihrem Amoklauf auch auf das nahe gelegene Parlament gefeuert, wo gerade eine Anhörung zur neuen Anti-Terrorgesetzgebung stattfand.

Generalmobilmachung angekündigt

Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi erklärte beim Besuch von Verletzten im Krankenhaus, ein „riesiges Unglück“ habe Tunesien heimgesucht. „Wir müssen mit einer Generalmobilmachung beginnen und die Terroristen endgültig ausschalten“, sagte er. Auch international wurde der Terroranschlag scharf verurteilt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, die Vereinten Nationen seien solidarisch mit den Menschen und der Führung Tunesiens.

Ähnlich äußerten sich US-Außenminister John Kerry, Bundespräsident Joachim Gauck, Frankreichs Staatspräsident François Hollande sowie führende EU-Politiker. „Die Europäische Union und Tunesien werden sich nicht einschüchtern lassen, ob zu Hause oder im Ausland“, erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk und versicherte, Europa stehe bereit, der tunesischen Regierung beim Kampf gegen den Extremismus beizustehen.

Wer sind die Täter?

Über die Täter gab es bis zum Abend keine gesicherten Informationen, bisher bekannte sich keine Terrorgruppe zu dem Massenmord. In Tunesien halten sich seit längerem in der Grenzregion zu Algerien einige hoch gefährliche Al-Qaida-Kommandos versteckt, die regelmäßig Anschläge gegen Sicherheitskräfte verüben. Zudem wird die Nation immer stärker durch den Bürgerkrieg im benachbarten Libyen in Mitleidenschaft gezogen.

Schätzungsweise 1,5 Million Libyer sind inzwischen über die Grenze gekommen. Die meisten haben sich vor der mörderischen Gewalt in ihrer Heimat in Sicherheit gebracht. Andere betätigen sich als Waffenhändler, die Kriegsgerät aus den Arsenalen des im Oktober 2011 getöteten Diktators Muammar Al-Gaddafi in Richtung Algerien und Mali verschieben.

Trainingslager des IS in der Nähe

In Libyen schworen im vergangenen Oktober radikale Gotteskrieger als erste in Nordafrika dem „Kalifen Ibrahim“ alias Abu Bakr al-Baghdadi die Gefolgschaft. Ein Trainingslager der IS-Extremisten existiert mittlerweile nur 45 Kilometer von tunesischem Territorium entfernt. Im Westen Libyens haben sich IS-Einheiten in Sabratha westlich der Hauptstadt Tripolis festgesetzt, auf halbem Wege zur tunesischen Grenze. Auch stammen die meisten ausländischen Gotteskrieger des „Islamischen Kalifates“ in Syrien und Irak aus Tunesien – gefolgt von Saudi-Arabien und Marokko.

Bezogen auf seine elf Millionen Einwohner liegt das kleine, säkulare Land am Mittelmeer damit im gesamten Nahen Osten an der Spitze. Nach Schätzung des Innenministeriums kämpfen 3000 junge Männer, teilweise auch junge Frauen, in Mesopotamien. 9000 wurden bisher an der Ausreise gehindert, etwa 500 sind zurückgekehrt, mindestens 170 gestorben. Auffallend viele stammen aus Mittelklasse-Familien, waren Studenten, angestellt im öffentlichen Dienst oder hatten gut bezahlte Berufe im Privatsektor. „Sie träumen vom Paradies, wollen als Märtyrer sterben und propagieren eine Kultur des Todes“, erläutert Mohamed Iqbal Ben Rejeb, Gründer von RATTA, einer Organisation, die tunesischen Familien hilft, ihre Söhne aus Syrien oder Irak zurückzuholen.

Populäres Touristenziel

Auf tunesischem Boden haben politische Gewalttaten und Terrorakte von radikalen Gruppen in den letzten beiden Jahren ebenfalls zugenommen. Fast alle Verbrechen richteten sich gegen Sicherheitskräfte, die bisher 60 Tote und 110 Verletzte zu beklagen haben. Opfer unter Touristen gab es in den letzten Jahren dagegen nicht. Einzig im Oktober 2013 sprengte sich in Sousse ein Selbstmordattentäter auf dem Rasen eines Strandhotels in die Luft, ohne dass jemand verletzt wurde. Im Februar und Juli 2013 wurden zwei linke Oppositionspolitiker auf offener Straße erschossen. Die Polizei vermutet die Täter im salafistischen Milieu, konnte sie aber bis heute nicht fassen.

Das Bardo-Museum gehört zu den populärsten Touristenzielen in der tunesischen Hauptstadt, in dem sich zum Zeitpunkt des Anschlags mehr als hundert Besucher aufhielten. Es wurde 1888 eröffnet und enthält die weltweit bedeutendste Sammlung römischer Mosaiken, von denen etwa eintausend ausgestellt sind. Die Sammlung, die in dem ehemaligen Harem des Bardo-Palastes untergebracht ist, zählt neben dem Ägyptischen Museum in Kairo zu den bedeutendsten archäologischen Ausstellungshäusern Nordafrikas. Außerdem sind in den 30 Schauräumen Exponate der Frühgeschichte sowie der punischen, griechischen, römischen, frühchristlichen und arabisch-islamischen Epoche zu sehen.

Für den tunesischen Tourismus, der sich immer noch nicht von dem Einbruch nach dem Arabischen Frühling 2011 erholt hat, wird der Anschlag verheerende Konsequenzen haben. „Würde, Freiheit, Arbeit“, lauteten im Januar 2011 die Ideale des tunesischen Volksaufstands. Doch anders als bei der mutig erkämpften Freiheit, geht es bei Bruttosozialprodukt, Arbeitsmarkt und Armutsbekämpfung nur schleppend voran. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 15 Prozent, unter der akademischen Jugend sogar bei 30 Prozent. 2013 wuchs Tunesiens Wirtschaft lediglich um 2,6 Prozent, viel zu wenig, um die Misere zu bessern.