Essen/Paderborn. In Paderborn steht eine Bande vor Gericht, die Tonnen gefälschter Zigaretten schmuggelte. Der Kopf: ein Spediteur aus NRW. Zoll feiert Erfolge.

14. Oktober 2014. In den frühen Morgenstunden weckt ein lauter Knall die Anwohner einer alten Bus-Halle in Bielefeld-Sennestadt. Behelmte Zollfahnder mit schusssicheren Westen haben gerade mit zwei Ladungen die Riegel des Brandschutztors in die Luft gejagt. Dahinter finden sie einen riesigen Container. Inhalt: 3,5 Millionen illegal hergestellte Zigaretten. Die Stängel sind hinter einer Ladung gefälschter Fisherman’s-Pastillen chinesischer Herkunft versteckt.

Das martialische Vorgehen der Spezialeinsatzkräfte im letzten Herbst hat zu einem der größten Erfolge der Essener Zollfahndung gegen die internationale Zigarettenmafia geführt. Das Netz der Täter reichte weit über Deutschland hinaus – nach Belgien und in die Niederlande, nach Italien, vor allem aber ins Osteuropäische: Nach Rumänien, in die Ukraine und die baltischen Staaten. Insgesamt mehr als neun Millionen illegal hergestellter oder auch gefälschter Zigaretten der Marken Marlboro oder Email konnten durch die Arbeit der Ermittlungskommission „Paddel“ sichergestellt werden.

International vernetzte Banden

Seit Dienstag wird sechs der Täter vor dem Landgericht in Paderborn der Prozess gemacht. Darunter ist einer der führenden Köpfe der Bande, ein Spediteur aus NRW. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Hehlerei und erwerbs- und bandenmäßige Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor. Sie sollen die Stangen – regional mit einem Schwerpunkt im Ruhrgebiet – für 19 bis 25 Euro verscherbelt haben (Handelspreis 55 bis 60 Euro). Durch die entgangene Tabaksteuer ist ein Schaden von mehr als sieben Millionen Euro entstanden, so der Bielefelder Oberstaatsanwalt Gerald Rübsamen.

Was den Fall aber dramatisch macht, sind die Umstände der Produktion: Denn gleichzeitig mit dem Sturm auf die Bushalle in Sennestadt ließen die Zollfahnder in Belgien, nahe der deutschen Grenze in der Eupener Oestraße, die zentrale Produktion der international vernetzten Bande hochgehen - eine illegale Fabrik, in der Arbeiter aus Rumänien und Moldawien an zwei reichlich verschmutzten Fertigungstraßen in einer Halle „ohne Tageslicht und ohne Frischluft“ schuften mussten, berichtet Ruth Haliti vom Zollfahndungsamt in Essen.

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„Sie waren dort zwei bis drei Monate quasi eingesperrt“, sagt Haliti. Sie schliefen in Etagenbetten. Allenfalls einen kleinen Fitnessraum gab es für sie. Der Tabak lagerte auf dem blanken Boden. Mit Drohungen erreichten die Tabak-Mafiosi, dass ihre Opfer das Gelände an einer alten Fabrikhalle nicht verlassen konnten. Später hat sich diese menschunwürdige Behandlung offenbar gerächt. In den Vernehmungen lieferten die Arbeiter den Ermittlern brauchbares Belastungsmaterial.

Zunehmende Erfolge des Zolls

Das Vorgehen der Zigarettenmafia wird nicht nur „professioneller“. Es wird auch brutaler, bestätigen Zollfahnder. Es werden gewaltsame Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppen geführt, so, wie es bisher nur zwischen Drogen-Gangs vorgekommen ist. Auch im Fall der der „EK Paddel“ war das so: Eine zweite Produktionsstätte in den Niederlanden haben die Täter aufgeben müssen, nachdem sie durch die Konkurrenz überfallen worden war. Ein Einsatz von Waffen wird zum Alltag.

Doch auch der Zoll bunkert zunehmend Erfolge. 2014 führten die Essener Fahnder 136 Ermittlungsverfahren. Sie stellten zwölf Millionen Zigaretten sicher. Der ermittelte Steuerschaden im Zigarettenbereich beläuft sich auf 59 Millionen Euro alleine im letzten Jahr – fünf mal so hoch wie im Jahr 2013.