Frankfurt. . Die Bruttoinlandsprodukte (BIP) werden europaweit neu berechnet. Nun fließen auch die Erträge von Drogendealern und Zigarettenschmugglern in die Berechnung der wichtigsten volkswirtschaftlichen Kennzahl ein. Das BIP Deutschlands erhöht sich dadurch gleich um drei Prozent.

Was an vielen Bahnhöfen in Deutschland an Drogen oder geschmuggelten Zigaretten verkauft wird, weiß niemand genau. Ab sofort müssen Statistiker den Wert solcher Geschäfte aber schätzen. Wenn das Statistische Bundesamt am 14. August die vorläufigen Zahlen und am 1. September die Details zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2014 vorlegt, werden sich manche Beobachter die Augen reiben: Mit einem Mal liegt dann der Wert aller im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen um etwa drei Prozent höher als im Vorjahresquartal. Dahinter steckt kein Wachstumsschub, sondern eine neue Basis für die Berechnung der wichtigsten volkswirtschaftlichen Kennzahl. Denn jetzt tragen auch Drogendealer und Zigarettenschmuggler zum Wachstum bei.

Die Einführung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen verlangt dies. Sie wiederum basiert auf Vorgaben der Vereinten Nationen. Damit sollen die Volkswirtschaften vergleichbarer werden. „Grundsätzlich sind alle wirtschaftlichen Aktivitäten zu erfassen, egal, ob diese legal oder illegal sind, ob sie den Steuer-, Sozialversicherungs-, Statistik- oder anderen Behörden bekannt sind oder nicht“, sagt Norbert Räth vom Statistischen Bundesamt.

Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft

Ganz neu sind solche Berechnungen nicht: Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft haben bereits Eingang ins BIP gefunden. Dabei dienen Daten des Zolls und der Bauwirtschaft als Grundlage, auch Umsätze von Heimwerkermärkten. Schätzungen zufolge kommt Schwarzarbeit auf eine Wirtschaftsleistung von 140 bis 420 Milliarden Euro pro Jahr. Der fragwürdige Beitrag von Dealern und Schmugglern muss ebenso geschätzt werden. Bei Heroin, Kokain oder Ecstasy dienen Behandlungszahlen, Angaben von Polizei und Zoll (der stellte 2013 rund 22 Tonnen Rauschgift sicher) und die Zahl der Drogentoten als Grundlage zur Ermittlung des Konsums. Diese Menge wird dann mit den von den Behörden ermittelten Straßenhandelspreisen bewertet.

Zehn Milliarden illegale Zigaretten jährlich

Beim Zigarettenschmuggel basiert die Schätzung auf Analysen des Branchenverbands. Der lässt jeden Monat 12 000 Schachteln aus dem Müll sammeln und prüft anhand der Steuermarken ihre Herkunft. Die Menge aus „traditionellen“ Schmuggelländern wird dann geschätzt und mit dem Schwarzmarktpreis multipliziert. Laut Experten werden pro Jahr in Deutschland rund zehn Milliarden Zigaretten illegal vertrieben.

Ins BIP fließen künftig auch Neu-Verbuchungen von Forschung und Entwicklung ein. Sie galten bislang als Vorleistung, die das Sozialprodukt mindern. Ab sofort werden sie den Investitionen zugerechnet und erhöhen das BIP. Ähnlich müssen die Statistiker mit Rüstungsgütern verfahren. Bisher wurden nur zivil genutzte Militäranlagen als Investitionen betrachtet, jetzt gilt dies auch für Waffensysteme wie Panzer und Raketen.

Insgesamt dürfte das BIP durch die Neuberechnung um rund drei Prozent höher ausfallen. Auf die Wachstumsraten habe dies aber keinen Einfluss, so die Statistiker, weil die Daten bis 1991 zurückgerechnet werden, sich das BIP also auch für die Vorjahre nachträglich erhöht.