Haldensleben. . Nach einem schweren Unfall auf der A2 bei Magdeburg sprechen die Ermittler von “unbeschreiblichem Verhalten“. Die Retter kamen kaum durch.
Fünf zerstörte Autos, ein Wrack, das auf dem Dach liegt, verletzte Menschen hilflos auf der Autobahn, eine Person blutet am Kopf – aber die Polizei kommt nicht hin. Aus 30 Meter Entfernung müssen Rettungskräfte am Samstag auf der A2 bei Magdeburg die schreckliche Szene beobachten, denn eine Rettungsgasse hat niemand freigelassen.
Und noch etwas sehen die Beamten: wie zehn, fünfzehn Autos im Schritttempo an der Unfallstelle vorbeifahren. Ob deren Fahrer auch fotografieren, wie am Sonntag kolportiert wird, kann die Polizei nicht erkennen, wohl aber, dass niemand aussteigt und hilft. „Eine bittere Erfahrung“, sagt Jens Braune, Hauptkommissar bei der Autobahnpolizei Börde.
Schwerverletzte "regelrecht umkurvt"
So „schmerzlich“ und „sauer“ stößt seinen Kollegen das „unbeschreibliche Verhalten“ der Verkehrsteilnehmer auf, dass sie es am Tag darauf öffentlich machen. „Fünf Minuten mehr oder weniger können über Leben und Tod der Unfallopfer entscheiden“, so Braune.
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Die Retter aber brauchen länger, weil niemand Platz macht, weil weiter vorn die Gaffer die Schwerverletzten „regelrecht umkurven“. Erst als Braunes Kollegen ihre Rettungs- und Streifenwagen quer auf dem Standstreifen parken, können sie den Verkehr der Schaulustigen aufhalten.
Unfallverursacher aus Essen
Für die Verletzten kommen sie gerade noch rechtzeitig. Schwer, aber nicht lebensbedrohlich verletzt liegen drei Menschen nun im Krankenhaus, unter ihnen der Unfallverursacher. Der 44-Jährige aus Essen war gegen 17.20 Uhr, es war gerade dunkel geworden, ungebremst auf ein Stauende aufgefahren. In der Nähe der Ortschaft Schackensleben hatte ein Auto gebrannt, kurzfristig hatte die Feuerwehr die Fahrbahn sperren müssen.
Der Essener Wagen mit drei weiteren Erwachsenen an Bord drehte und überschlug sich, landete auf dem Dach. Vier weitere Fahrzeuge wurden ineinander geschoben, weitere drei Personen leicht verletzt, Wracks und Trümmerteile verteilten sich über zweieinhalb Fahrspuren. Die A2 in Richtung Berlin blieb für Stunden gesperrt.
Wie viele Autofahrer sich vorbeidrängen, ohne Hilfe zu leisten, ist unklar, die Polizei spricht von einer „Unzahl“. Ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung ist zwar eingeleitet, aber gegen „unbekannt“. Zu dunkel ist es, um Kennzeichen zu notieren, zudem haben die Einsatzkräfte Dringlicheres zu tun. Bedauerlich: Auch wichtige Spuren, die Aufschluss über den Unfallhergang hätten geben können, wurden durch die vorbeifahrenden Autos vernichtet.
Unterlassene Hilfeleistung
Dabei ist Gaffen statt zu helfen „kein Kavaliersdelikt“, wie Polizeihauptkommissar Braune betont: Auf unterlassene Hilfeleistung stehe eine Geld- oder auch eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Umgekehrt wird ein eventueller Fehler bei der Ersten Hilfe nicht belangt. „Man hätte“, so Jens Braune, „die Opfer doch einfach nur betreuen müssen.“