Berlin. .

Unruhe in der Regierung. CSU-Chef Horst Seehofer ist offenbar aus Ärger über den Steuervorstoß von Rösler und Schäuble nicht zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel erschienen. Die Kanzlerin wirbt derweil um Rückhalt in Euro-Krise.

Kurz vor dem Spitzentreffen von Union und FDP am Freitag in Berlin hat es Unruhe in der Koalition gegeben. CSU-Chef Horst Seehofer war am Donnerstagabend zu einem geplanten Treffen mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nicht erschienen, wie es am Freitag aus Unionskreisen hieß.

„Spiegel Online“ und „Welt“ hatten übereinstimmend berichtet, dass Seehofer aus Ärger über den Steuervorstoß von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Teilnahme an dem Unions-internen Treffen verweigert habe. An dem Treffen sollten neben Seehofer und Merkel auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt teilnehmen. An dem Koalitionsgipfel am Freitagabend im Kanzleramt wird Seehofer den Angaben zufolge teilnehmen.

Merkel wirbt um Rückhalt

In der Euro-Krise wirbt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Rückhalt der schwarz-gelben Koalition. Gleichzeitig stimmte Merkel am Freitag die Parlamentarier von CDU und CSU auf einen möglichen starken Schuldenschnitt für Griechenland ein. Eine für Freitag geplante Regierungserklärung will die Kanzlerin am Mittwoch nachholen. Hintergrund ist die Aufspaltung des EU-Gipfels, der nach einer Detaildebatte am Sonntag nun erst am kommenden Mittwoch Entscheidungen zum Euro-Rettungschirm EFSF treffen will.

Merkel sagte nach Teilnehmerangaben vor der Unionsfraktion, es nähre sich der Zeitpunkt, an dem man feststellen müsse, dass der vereinbarte Abschlag von 21 Prozent nicht mehr die Schuldentragfähigkeit Griechenlands sichere. Bereits am Dienstag hatte die Kanzlerin in der Fraktion Bedingungen genannt, falls ein Schuldenschnitt für Griechenland nicht mehr abzuwenden sei und eine „permanente Troika“ in Spiel gebracht. Ein Schuldenschnitt für das hoch verschuldete Land wird derzeit hinter den Kulissen verhandelt, ist aber noch nicht entschieden.

Merkel sagte weiter, „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“ in der Bekämpfung der Euro-Krise. Daher müsse an den Richtlinien zum erweiterten europäischen Rettungsschirm EFSF noch weiter gearbeitet werden. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) versicherte zugleich den Abgeordneten, dass es keine Bankenlizenz für den EFSF geben werde, wie es Frankreich wünscht. Auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) erteilte dem französischen Vorschlag eine Absage. „Wir wollen auf gar keinen Fall, dass es eine Bankenlizenz für die EFSF dann selber geben soll.“ Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte, dass es keine Ausweitung der deutschen Haftung über die vereinbarten 211 Milliarden Euro hinaus geben dürfe.

EFSF-Debatte zwingt zum EU-Doppelgipfel

Für eine Einigung auf europäischer Ebene ist eine deutsch-französische Einigung notwendig. Nun wird es am Sonntag einen Vorbereitungsgipfel der 27 europäischen Staats- und Regierungschefs geben, bevor dann am Mittwoch bei einem weiteren Treffen Beschlüsse zustande kommen sollen.

Die Zeit drängt, weil neben der prekären Lage Griechenlands, beim G20-Gipfel am 3. und 4. November in Cannes auf internationaler Ebene verbindliche europäische Beschlüsse beraten werden sollen. Vor diesem Hintergrund gab es am Donnerstag nach Angaben von Seibert eine Telefonkonferenz von US-Präsident Barack Obama, Kanzlerin Merkel, dem britischen Premierminister David Cameron und dem französischen Staatschef Nicolas Sarkozy.

Kritische Stimmen in der Unions-Fraktion

In der Sondersitzung der Fraktion gab es mehrere kritische Fragen, insbesondere aus der CSU, nach einer Hebelwirkung des EFSF. Schäuble wies die Fragen nach Teilnehmerangaben damit zurück, dass die Beratungen darüber noch nicht abgeschlossen seien. CDU-Haushälter Norbert Barthle betonte, die bislang vorliegenden Dokumente seien von deutscher Seite gut verhandelt. Euro-Kritiker Peter Gauweiler (CSU) sagte dagegen, er sehe sich in seiner „Skepsis bestätigt“, dass der Steuerzahler massive Risiken zu tragen habe.

Auch die SPD kritisierte das Vorgehen der Regierung in der europäischen Finanzkrise. „Alles spricht dafür, dass in dieser Regierung nichts mehr zusammengeht. Das hat Deutschland, das hat Europa nicht verdient. Wenn das so weitergeht, befürchte ich Schlimmes“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Er rügte, dass die Zeit nach der Bundestagsabstimmung über den EFSF Ende September nicht effektiv für eine europäische Einigung genutzt worden sei. Das sei ein „Versagen beim Krisenmanagement“ der Bundesregierung.

Westerwelle will Europäischen Währungsfonds

Derweil legte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) ein Papier vor, den EFSF zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen. Dieser solle direkt in die Haushalte von Krisenländern eingreifen können und bei einer Zahlungsunfähigkeit notfalls auch deren geordnete Insolvenz organisieren, fordert Westerwelle.

Trotz Absage der Regierungserklärung diskutierte der Bundestag am Freitag über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF. In einem kurzfristig eingebrachten Antrag forderten die Grünen, dass der Bundestag über alle Hebel-Maßnahmen des EFSF entscheiden müsse. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, ein solches Instrument müsse das Parlament „vor den Augen der Bürgerinnen und Bürger“ beraten und dürfe „nicht hinter den verschlossenen Türen eines wichtigen Ausschusses“ entschieden werden. Der Antrag wurde abgelehnt. (dapd)