Berlin. . Kurzfristiger Erfolg, monothematische Ausrichtung - Netzpolitiker der etablierten Parteien zollen den jüngsten Umfrage-Erfolgen der Piraten wenig Respekt. Ganz im Gegenteil: Eine Politikerin macht sich sogar über sie lustig.
Geht es nach der CSU-Netzexpertin Dorothee Bär, finden die jüngsten Erfolge der Piratenpartei bald ein jähes Ende. „Bei Asterix sind die Piraten immer diejenigen, die am Ende auf den Resten ihres gekenterten Schiffes im Meer umhertreiben“, lästert die Politikerin auf der CSU-Facebook-Seite.
Ein gewagter Vergleich, schließlich stellt die 2006 gegründete Partei seit der Wahl in Berlin einen Umfragerekord nach dem anderen auf. In der Sonntagsfrage des „Deutschlandtrends“ der ARD lag sie in der vergangenen Woche bei acht Prozent.
Plädoyer für Spagat zwischen Sicherheit und Freiheit im Netz
Dennoch ist sich Bär sicher, dass die Piraten demnächst politischen Schiffbruch erleiden werden. Schließlich habe die Partei außerhalb ihres Kernthemas, der Netzpolitik, kaum etwas zur politischen Diskussion beizutragen, schreibt sie. Die Union tue gut daran, sich weiterhin für einen Spagat zwischen Sicherheit und Freiheit im Internet einzusetzen.
Was sie damit genau meint, bleibt - wie bei vielen anderen Parteien - im Bereich des Nebulösen. Nur selten werden die netzpolitischen Forderungen, die sich oft gleichen, mit konkreten politischen Forderungen verknüpft. Vielmehr werben alle etablierten Parteien mit Schlagwörtern wie Transparenz, Interaktivität und Datenschutz.
Internet-Wahlkampf der Piraten wenig inspirierend
Im Lager der Grünen klingt die Kritik an den Piraten deutlich sanfter. „Sie haben sich auch in der Drogenpolitik und in der Bildungspolitik positioniert“, gibt der Grünen-Netzexperte Malte Spitz zu bedenken. Er findet es zu früh, „von einer Eintagsfliege zu sprechen“. Obwohl die Piratenpartei in der Netzpolitik als Vorreiter gilt, sieht er keinen Änderungsbedarf für die Grünen beim Umgang mit digitalen Medien. „Wir räumen dem Thema bereits einen hohen Stellenwert ein“, sagt Spitz. Und außerdem: „Den Internet-Wahlkampf der Piraten in Berlin fand ich wenig inspirierend.“
Auch Halina Wawzyniak von der Linkspartei warnt vor netzpolitischem Aktionismus: „Wir haben in diesem Bereich bereits in den letzten Jahren fortschrittliche Inhalte erarbeitet.“ Dazu gehöre unter anderem die Forderung nach einem freien Internet und einem wirksamen Datenschutz in sozialen Netzwerken. Auch diese Forderungen würde wohl jeder Netzbeauftragte der etablierten Parteien sofort unterschreiben.
SPD sieht keinen Grund für Nervosität
Der SPD-Netzexperte Lars Klingbeil sieht seine Partei ebenfalls gut gerüstet. „Die Wahlerfolge der Piraten sind kein Grund nervös zu werden“, schreibt Klingbeil auf der Internetseite der Sozialdemokraten. Sie seien vielmehr ein Ausdruck der Protesthaltung vieler Bürger. Der Chef der Piraten, Sebastian Nerz, hält den Anteil der Netzpolitik an den jüngsten Erfolgen der Piratenpartei auch selbst für unbedeutend. „Wir sind keine Netzpartei“, versichert Nerz. „Wir sind aber eine Partei, die verstanden hat, was das Internet für Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.“
Eine Meinungsumfrage des ARD-“Deutschlandtrends“ aus der vergangenen Woche gibt der Einschätzung der Netzexperten recht. Demnach spielt die Netzpolitik nur eine untergeordnete Rolle bei der Wahlentscheidung für die Piraten. So sind 72 Prozent der Deutschen der Überzeugung, „dass die Piratenpartei nur gewählt wird, um den anderen Parteien einen Denkzettel zu erteilen“.
„Entwicklung der Piratenpartei ungewiss“
Ob das reicht, um sich in der Beletage der Bundespolitik zu etablieren, bleibt abzuwarten. Wenn es nach Klingbeil geht, können die etablierten Parteien diese Entwicklung aber durchaus noch verhindern: „Die Entwicklung der Piratenpartei ist ungewiss, wenn die traditionellen Parteien den Zulauf zu den Piraten nicht abtun, sondern ernst nehmen.“ Sie sollten aber Anlass geben, aufmerksam zu sein und zuzuhören, „was diese junge Generation von Aktiven eigentlich will“.
Das sieht auch Dorothee Bär so, die einräumt, dass der Erfolg der Piraten zumindest einen wichtigen Denkprozess angestoßen habe: „Vielleicht war tatsächlich eine Piratenbarke nötig, damit die großen Schiffe wieder richtig Fahrt aufnehmen.“ (dapd)