Berlin. . Die Ziele der Piratenpartei sind groß, die inhaltlichen Lücken auch. Am Mittwoch stellte sich die Bundesspitze in Berlin vor - ohne konkrete Antworten auf politische Fragen, dafür aber mit blendendem Selbstbewusstsein.
Sie ist das weibliche Gesicht der männlich dominierten Piratenpartei, doch bei der Frauen-Frage weiß auch Marina Weisband keine Antwort: Wie viele der aktuell gut 13.000 Mitglieder der Piraten sind außer ihr eigentlich weiblich? Weisband, 24 Jahre alt, Psychologiestudentin aus Münster und politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, zuckt mit den Schultern: „Das wissen wir nicht.“ Es gebe zwar sicher „zu wenig“ Frauen in der Partei, aber als Ausdruck „moderner Geschlechterpolitik“ erfassen die Piraten das Geschlecht ihrer Mitglieder nicht.
Es ist nicht die einzige Frage, die am Mittwoch in der Bundespressekonferenz seltsamerweise unbeantwortet bleibt. Zwei Wochen nach ihrem Sensationserfolg in Berlin strotzen die Spitzenleute der Piraten vor Selbstbewusstsein, suchen die große Bühne, liebäugeln schon mit einer Regierungsbeteiligung im Bund – und müssen dann immer wieder riesige Lücken einräumen. Euro-Rettung? Afghanistan-Einsatz? Grundeinkommen? Konkrete Antworten gibt es nicht.
„Wir sind keine Netzpartei“
An diesem Tag trägt die Lässigkeit, denn die Ausgangslage ist blendend: Nach dem Erfolg in Berlin taxieren die Forsa-Meinungsforscher in einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage die Piraten auf acht Prozent bundesweit. Demoskopen kennen zwar das Phänomen, dass nach einem Erfolg wie in Berlin die Umfragewerte nach oben schnellen. Doch Parteichef Sebastian Nerz, 28, Bioinformatikstudent aus Tübingen, sagt: „Acht Prozent – das ist kein Eintagshype.“ Bundesweit habe die Partei schon über 100 Kommunalmandate gewonnen, die Themen stießen auf breites Interesse: „Wir sind keine Netzpartei“, arbeitet Nerz schon am neuen Image, „wir sind eine sozialliberale Grundrechtspartei.“ In das Links-Rechts-Schema will der Vorsitzende die Piraten nicht einordnen: Man stehe für eine engagierte, eher linke Sozialpolitik ebenso wie für Bürgerrechte, die als Position der Mitte wahrgenommen würden.
Die Piraten stünden wenigstens dazu, dass sie keine Antworten etwa auf die Euro-Krise hätten, meint Nerz. Die anderen Parteien hätten auch keine, sagten es aber nicht. „Wer eine Idee hat, ist herzlich eingeladen, zum Bundesparteitag einen Antrag zu stellen“, wirbt Geschäftsführerin Weisband. Wichtiger ist den Piraten ohnehin erst einmal, einen neuen Politikstil durchzusetzen – auch bei den etablierten Parteien. Es gehe darum, die Bürger in Entscheidungsprozesse einzubinden und aktiv zu beteiligen. Die Piraten stünden für Transparenz der Entscheidungen, alle Sitzungen seien öffentlich. Dieses Prinzip gelte, auch wenn es konkreten Erfolg in der klassischen Politik koste, sagt die Geschäftsführerin.
Ärger für den Chef
Parteichef Nerz hat vor ein paar Tagen die Möglichkeit erörtert, nach der Bundestagswahl eine Koalition mit Rot-Grün einzugehen. Das kam in der Partei nicht durchweg gut an: Man solle erst eine Wahl gewinnen, bevor man im Bundestag die Büros ausmesse, schimpften Berliner Piraten. Nun ist er anfangs vorsichtiger, will von Koalitionsspekulationen nichts wissen. Aber ob Nerz sich vorstellen könne, nach der Bundestagswahl in Koalitionsverhandlungen zu gehen? Darauf gebe es „ein klares Ja“. Geschäftsführerin Weisband sagte: „Wenn die Wähler wollen, dass wir regieren, werden wir regieren.“