Essen. Der Abschied vom scheidenden Porsche-Chef Wendelin Wiedeking war emotional. Und der Tag ist noch nicht ganz rum, da kursieren bereits zahlreiche Schimpfwörter über ihn. Die nächsten Tage können demnach hart werden, die Diffamierungsmaschine läuft mit Höchstdrehzahl.

Eigentlich wollte der in wenigen Wochen 57-jährige bis zur Rente aus dem Volkswagen-Tanker einen Sportwagen machen, mit guten Chancen darauf, Toyota von der Weltspitze zu fegen.

Die nächsten Tage können die härtesten im Leben des Wendelin W. werden, denn die Diffamierungsmaschine läuft bereits mit Höchstdrehzahl. Insider dürfen jetzt auspacken. „Kotzbrocken“, „Ghetto-Boxer, der an der Sucht nach gesellschaftlichem Aufstieg kaputt geht“, „Größenwahnsinniger, der morgens aufstehen muss und sich sagen können: Ich bin der Größte“.

Wiedeking schuf den ertragreichsten Großserienhersteller der Welt

Die Wahrheit ist: Wiedeking war der Größte, und er ließ es nicht heraushängen. Aus einer 1992 betriebswirtschaftlich bankrotten besseren Bastelbude schuf er den mit Abstand ertragreichsten Großserienhersteller der Welt. Aus 20000 Autos im Jahr wurden 100.000. Porsches Börsenwert stieg von 300 Millionen auf zeitweise über 25 Milliarden Euro.

Der Westfale aus Beckum und ganz normalbürgerlichen Verhältnissen blieb dabei bodenständig. Wendelin mag es eher deftig, lieber Erbsensuppe und Pils als Fruits de Mer und Grand Cru. Sein Privatleben kennt keine Affären, keine Mätzchen. Sein soziales Engagement ließ er nicht verbreiten. Wiedeking bemühte keine „Spin Doctors“, um Geschichten den „richtigen“ Dreh zu geben. Sein Spin Doctor ist der befreundeten Leiter der Porsche-Öffentlichkeitsarbeit. Zusammen schrieb man Bücher mit den Titeln „Das Davidprinzip“ und „Anders ist besser“.

Mit 39 Jahren schon ein Selfmademillionär

Darin schildert er, wie er nach seiner Ernennung zum Porsche-Lenker 1992 rationelle japanische Produktionsmethoden mit Hilfe von abgeworbenen Toyota-Spezialisten in Zuffenhausen einführt. Da ist Wiedeking erst 39 Jahre alt, aber längst Selfmademillionär. Schon als Maschinenbaustudent hatte er Geld aus Nichts gemacht und mit höchstem Lob promoviert. Kein 30, ist er Vorstandsvorsitzender der Glyco Metallwerke und ein gemachter Mann.

Die Öffentlichkeit hält den so biederen seitengescheitelten Schnauzbartträger für eine Notlösung, die Porsche für den Verkauf aufhübschen soll. Doch Wiedeking greift durch und räumt auf. Ein Drittel der Belegschaft muss gehen, eine neue zweite Baureihe wird in Rekordzeit verwirklicht und nach Finnland outgesourct.

Manager des Jahres und Ordensträger

Von Motorsport hält Wiedeking nur etwas, wenn er Geld einbringt und nicht verbrennt. Der bestverkaufte Porsche ist inzwischen kein Sportwagen mehr, sondern der kostengünstig zu 80 Prozent bei VW/Audi gefertigte Geländewagen Cayenne. Der als „Rollladenverkäufer“ verspottete Modellautosammler wird gleich 1994 Manager des Jahres, Ordensträger wider den tierischen Ernst und nach vielen anderen Ehrungen 2008 Europas Manager des Jahres.

Wendelin Wiedeking

Wendelin Wiedeking wurde am 28. August 1952 in Ahlen in Westfalen geboren und wuchs im kleinstädtischen Beckum auf. Er studierte an Aachener Hochschule Maschinenbau. Nach der Promotion 1983 begann er bei Porsche als Vorstandsreferent. Nach seinem Wechsel zu den Glyco Metallwerken 1988 kam er 1991 zu Porsche zurück und wurde Produktionsvorstand und Vorstandssprecher, 1993 Vorstandsvorsitzender.

Da ist er schon tief in die eigenen Pläne zur Übernahme von Volkswagen verstrickt. Ein Finanz-Perpetum-Mobile hat Wiedeking und sein Kämmerer Holger Härter ersonnen. VW soll Porsche nach der Übernahme mit dem eigenem Geld den Aktienaufkauf bezahlen. Doch der promovierte Verfahrenstechniker und Sanierer hat die Rechnung ohne die Politik gemacht, ohne deren zumindest stillschweigende Duldung sein Plan nicht aufgehen kann.

Wiedeking kannte keine Niederlagen

Und die Politik wird von Ferdinand Piech, dem Porsche-Mitbesitzer und VW-Allgewaltigen, gegen Wiedekings Pläne meisterhaft in Stellung gebracht. Wiedeking half ihm dabei mit undiplomatischen Bemerkungen darüber, wie er in Wolfsburg aufräumen würde.

Und bei langen Biernächten an der Bar hat Wiedeking wohl einmal zu oft vor Journalisten über das Lebenswerk von Piech gelästert, der sich unter dem Dach von Volkswagen vier teure Luxussparten geleistet hat, aber auf dem Massenmarkt viel Geld liegen ließ. Wiedeking hält den Ingenieur Piech für einen selbst- wie auch technikverliebten Nockenwellenzeichner. Für Piech hat vielleicht Recht, wenn er sagt, dass Wiedeking die Demut fehlt, die aus Niederlagen resultiert.

"Wenn Fusionen scheitern, liegt es an den Menschen."

Am Ende ist Wiedeking auch nur ein Angestellter, Piech dagegen unkündbar. Vor dem Griff nach der Weltmacht hätte er in seinem „Davidsprinzip“ nachschlagen sollen. Er schrieb 2002: “Wenn Fusionen scheitern, liegt es an den Menschen, die möglicherweise nicht nachvollziehen können oder wollen, was das Ganze soll“.