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Der Politikwissenschaftler Christoph Bieber erklärt den Erfolg der Piraten mit einem Faktorenmix. Er traut der jungen Partei zu, auch andernorts Wahlerfolge zu verbuchen. Das hänge aber davon ab, wie sie sich in der konkreten Arbeit im Parlament beweise.
Dass die Piratenpartei bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 8,9 Prozent der Stimmen erhalten hat und anders als die FDP künftig im Parlament der Stadt vertreten sein wird, führt der Politikwissenschaftler Christoph Bieber von der Universität Duisburg-Essen auf mehrere Faktoren zurück. „Die Piratenpartei steht für eine alternative Politik, für den Versuch, andere Wege zu gehen.“ Als Beispiele nennt der 41-Jährige die offene Kommunikationsstruktur und basisdemokratischen Ansätze der Partei. Die Piraten befürworten die direkte Demokratie, lassen ihre Mitglieder über Entscheidungen abstimmen und beteiligen sie so an der Meinungsbildung.
Den Erfolg der jungen Partei will der Politikwissenschaftler aber nicht als reine Protestwahl einordnen. In Berlin spielten netzpolitische Themen, für die sich die Piratenpartei besonders engagiert, eine wichtigere Rolle als andernorts. Das gute Abschneiden der Partei habe aber auch mit den Reaktionen der örtlichen Politiker auf ihre unkonventionelle Konkurrenz und der allgemeinen Situation der etablierten Parteien zu tun. Zudem könne die Partei mit unverbrauchtem Personal aufwarten.
Netzpolitik als Nischenthema
Zu dem guten Wahlergebnis habe aber auch die inhaltliche Ausrichtung der Piraten beigetragen. „Die Piratenpartei hat mit dem Internet ein Nischenthema gefunden“, so Christoph Bieber. „Das Internet ist für viele Menschen ein Thema im Alltag.“ Daher würden es viele Bürger befürworten, wenn es auch in der Politik jemanden gibt, der sich diesem Bereich widmet. Auch die etablierten Parteien haben dieses Themenfeld zwar inzwischen für sich entdeckt, hätten hier aber noch Aufholbedarf, so Bieber.
Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus habe die Piratenpartei nach seiner Einschätzung Wähler gewonnen, die sonst ihr Kreuzchen bei SPD oder Grünen machen. „Die Piraten haben aber auch einen gehörigen Teil Erst- und Nichtwähler mobilisiert“, so Bieber. Aufgrund ihrer Inhalte würde der Politikwissenschaftler die 2006 gegründete Partei im linken Spektrum einordnen.
Weitere Wahlerfolge denkbar
Wie sich die Piratenpartei nun aber aufstelle, werde erst die konkrete Arbeit im Berliner Abgeordnetenhaus zeigen. Erst dann werde sich auch herausstellen, ob die Partei dem Anspruch, frischen Wind in den Politikbetrieb zu bringen, auch standhalten kann. „Bisher kennen wir die Piraten nur durch ihre außerparlamentarische Arbeit“, so Bieber. „Die Partei wird einen Realiy-Check erleben, Fehler machen.“ Von einer so jungen Partei sei aber auch nicht zu erwarten, bereits in allen Feldern Spitzenpersonal vorweisen zu können, meint der Politikwissenschaftler.
Bieber hält es für möglich, dass die Piratenpartei künftig auch bei anderen Wahlen mehr Stimmen erhält als in der Vergangenheit. „Das hat aber weniger mit dem Erfolg in Berlin zu tun. Man kann von den neun Prozent nicht auf weitere Wahlerfolge schließen. Die nächste Wahl in Schleswig-Holstein ist zum Beispiel völlig anders.“ Ob die junge Partei bei einer Bundestagswahl ein Stimmenplus verbuchen kann, werde nun aber von der Arbeit in Berlin abhängen.
Abgeordnete wollen Lernprozesse in Blog dokumentieren
Und dabei wollen sich die Piraten ganz genau auf die Finger schauen lassen: Nach ihrem Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus will die Fraktion ihre Lernprozesse im politischen Alltagsgeschäft öffentlich darstellen. Die Partei kündigte am Montag an, in einem Blog unter www. piratenfraktion-berlin.de ihre „Erfahrungen und Erkenntnisse“ mit den Wählern teilen zu wollen.
„Es geht darum, die Lernprozesse zu dokumentieren“, begründete Christopher Lauer von der neuen Piratenfraktion dieses Angebot. Die Partei gehe mit ihren Wissenslücken offen um. Der Blog könne daher auch „Sendung-mit-der-Maus-mäßig“ sein und zum Beispiel erklären, was eine kleine Anfrage im Parlament ist.