Hamburg. . Wirbel um eine angebliche Kanzlerinnenschelte von Altkanzler Helmut Kohl: Als „frei erfunden“ wies Kohl einen Bericht zurück, wonach er Angela Merkels Europapolitik mit großer Sorge verfolge. „Die macht mir mein Europa kaputt“, sollte Kohl über Merkel gesagt haben.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl hat dementiert, die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) scharf kritisiert zu haben. Der „Bild“-Zeitung sagte Kohl, die Äußerungen, die ihm das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zuschreibe, seien „frei erfunden“.

„Richtig ist: Ich bin - wie viele - besorgt über die Entwicklung in Europa und des Euro“, sagte Kohl der Zeitung. Andere Unionspolitiker attackierten hingegen die CDU-Vorsitzende mit teils deutlichen Worten. Auch Merkels Energiepolitik sorgte für Unmut.

Der „Spiegel“ hatte vorab berichtet, der Altkanzler habe über Merkel gesagt: „Die macht mir mein Europa kaputt.“ Das Magazin berief sich auf einen „Vertrauten“ des Altkanzlers, der Kohl besucht habe. Dabei habe Kohl auch gesagt, Merkels Europapolitik sei „sehr gefährlich“.

Der „Bild“-Zeitung sagte der Altkanzler, in der Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung seien „Fehlentscheidungen“ getroffen worden. Der Euro-Stabilitätspakt hätte niemals aufgeweicht werden dürfen; zudem hätte Griechenland ohne durchgreifende strukturelle Reformen niemals in die Euro-Zone aufgenommen werden dürfen. „Beide Entscheidungen sind die wesentlichen Ursachen der heutigen Probleme“ und müssten von Schwarz-Gelb „geheilt“ werden, sagte Kohl.

CSU-Mittelstandsunion verlangt politische Kurskorrektur

Der hessische Ministerpräsident und CDU-Vizechef Volker Bouffier soll Merkel davor gewarnt haben, das europafreundliche Erbe der Partei zu verspielen. Der „Spiegel“ zitierte Bouffier mit dem Satz: „Europa ist ein politisches Projekt. Es ist zu wichtig, um es den Ratingagenturen zu überlassen.“

Auch die Angriffe aus dem Wirtschaftsflügel der Union auf die Bundesregierung reißen nicht ab. Die Kreisvorsitzenden der CSU-Mittelstandsunion verlangten am Samstag auf einer Tagung im mittelfränkischen Fürth eine politische Kurskorrektur von der schwarz-gelben Koalition. Sie kritisierten in einer Resolution auch die Kehrtwende in der Energiepolitik, die für Verunsicherung sorge.

Der Vorsitzende der Organisation, Hans Michelbach, warnte vor einer Entfremdung von Mittelstand und Politik. Es seien in den vergangenen zwei Jahren auf Bundesebene zahlreiche Entscheidungen getroffen worden, die mit dem Markenkern der Union nicht vereinbar seien.

Am Donnerstag hatte bereits der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung (MIT), Josef Schlarmann, der Bundesregierung Orientierungslosigkeit vorgeworfen. Auch der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk, machte Merkel mitverantwortlich für das Umfragetief der Union. Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, forderte am Freitag, Merkel müsse sowohl in Berlin als auch in Brüssel „endlich Führungsstärke beweisen und handeln“.

Umfrage sieht Verluste für die Union

Eine Umfrage ergab erneut Verluste für die Union. Das Emnid-Institut ermittelte im Auftrag der Zeitung „Bild am Sonntag“, dass CDU und CSU gemeinsam auf Bundesebene nur noch auf 32 Prozent in der Wählergunst kommen - ein Prozentpunkt weniger als in der Vorwoche.

Der Unmut in der Union über Merkel wird am Montag auch den CSU-Vorstand beschäftigen. Parteichef Horst Seehofer hatte am Dienstag angekündigt, er werde in der Sitzung in München deutlich sagen, dass strategische Anmerkungen nicht über die Medien an die Schwesterpartei gerichtet werden sollten. (dapd/afp)