Berlin. .

Die Stimmung in der CDU ist schlecht. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel in Südtirol Urlaub macht, muckt die Partei zu Hause auf. Die einen stellen Merkels Kurs als Kanzlerin infrage, die anderen kratzen an ihrer Rolle als Partei-Chefin.

Angela Merkel schnuppert Höhenluft. 1900 Meter hoch liegt Sulden unter dem weißen Gipfel des Ortler. Hier ist ihr Südtiroler Ferienquartier. Der Ortspfarrer erzählt, sie habe mit Ehemann Joachim Sauer in einem ganz bescheidenen Hotel gebucht.

Vielleicht hilft das Durchatmen vor einem stressigen Herbst. Zu Hause, in der Union, ist die Stimmung schlecht. Junge und Alte – neben Unbekannten auch ehemalige Größen wie Kurt Biedenkopf, Eberhard Diepgen und Volker Rühe – proben das Aufmucken. Horst Seehofers CSU braucht eigenes Profil und schließt sich gerne an.

Man lanciert Papiere mit bohrenden Fragen und strittigen Forderungen zur Pflege, zu Hartz IV und zur Pkw-Maut, kritisiert die Enthaltung beim Libyen-Einsatz der Nato oder wechselnde Positionen des Kabinetts in der Euro-Frage. „Viel zu wenig Interesse für die Wirtschaftspolitik“ sieht Michael Fuchs, der Vize-Fraktionschef im Bundestag. Das alles stellt Merkels Kurs als Kanzlerin infrage.

Ist die CDU noch so konservativ, wie viele Mitglieder es mögen?

Andere wollen die Frau an der Spitze erkennbar in ihrer Rolle als Parteichefin treffen. Die Stammwähler wüssten nicht mehr, wofür die Union alleine stehe, beklagt Erwin Teufel, der frühere baden-württembergische Ministerpräsident. „Die CDU läuft dem Flugsand der Wechselwähler hinterher“, sagt Friedrich Merz. Helmut Kohl, für viele Christdemokraten immer noch Übervater, ist weit drastischer geworden: „Die macht mein Europa kaputt.“

Die Unruhe ist ausgelöst durch die Machtverluste in NRW, Baden-Württemberg und Hamburg. Schnell sinkende Umfragewerte steigern die Sorgen: 32 Prozent Zustimmung auf Bundesebene hat das Forsa-Institut in dieser Woche für die Kanzlerin-Partei ermittelt. Partner FDP zerlegt sich auf drei Prozent. Würde jetzt Wahljahr sein, der Abgang der Union in die Opposition wäre sicher.

Tiefer reicht die Debatte um den Kurs der Partei. Ist die CDU noch so konservativ, wie viele Mitglieder es mögen? Was, bitte, ist heute konservativ?

Merkel bricht auf wichtigen Feldern ein christdemokratisches Tabu nach dem anderen

Wie verwurzelte Christdemokraten wirklich denken, haben Strategen der Partei in der Bonner Konrad-Adenauer-Stiftung am Beispiel der Familienpolitik dargestellt: „Die Familie ist der naturrechtlich begründete Ort, an dem sich Menschen aufeinander beziehen, und zwar als Mann und Frau. Sie ist der Ort, an dem die Kinder in ihre sozialen Rollen hineinwachsen – nicht in den Kitas als staatlich bereitgestellten Entsozialisationsagenturen. Familien sind Keimzellen der Gesellschaft. Deshalb sind sie den Konservativen wichtig.“ Die Analyse zeigt, was vermisst wird – und ist eine Klatsche für alle, die über Gelder für „U3“-Betreuungen debattieren oder das Adoptionsrecht für Schwule.

Tatsächlich bricht Merkel auf wichtigen Feldern ein christdemokratisches Tabu nach dem anderen. Sie hat mit ad hoc-Entscheidungen der Regierung aus zwei Kernen des Grundsatzprogramms von 2007 gewelltes Altpapier gemacht. Der eine hieß: „Wir bekennen uns zur Wehrpflicht“. Der andere: „Auf absehbare Zeit kann auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung nicht verzichtet werden“. Die Wehrpflicht ist abgeschafft. Die Atomkraft ist spektakulär auf „Aus“ geknipst. Im November, beim Parteitag in Leipzig, folgt der nächste Bruch, wenn es nach der Parteispitze geht. Dann wird die Hauptschule als Relikt von gestern abgehakt.

Der Parteitag wird hartes Brot für Angela Merkel

Dieser Parteitag also wird, obwohl keine Vorstandswahl ansteht, hartes Brot für Angela Merkel. Die „Gefühlslage“ der Partei komme zur Sprache, glaubt der NRW-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann. Ganze Landesverbände, Baden-Württemberg an der Spitze, machen mobil gegen die Kursänderung in der Bildungspolitik. Schule wird in der durch die Abwahl gekränkten CDU in Stuttgart für reine Ländersache gehalten. Die „Einheitsschule“ sei ohnehin „gleichmacherisch“, so der neue Landesvorsitzende und Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl. Er verbittet sich die Einmischung aus Berlin.

Wohl deshalb hat der CDU-Verband Alb-Donau/Ulm bei einem Kreisparteitag in Oberdischingen einen Pflock eingeschlagen, der Merkel besonders schmerzt. Er stellte ihre engste Vertraute in Kabinett und Partei, Bildungsministerin Annette Schavan, nicht mehr als Delegierte für Leipzig auf. 120 Christdemokraten stimmten ab. Schavan erhielt 65 Stimmen.