Oslo. Der mutmaßliche Terrorverdächtige in Norwegen hat ein Geständnis abgelegt. Auf der Insel Utöya werden nach Polizeiangaben noch immer Menschen vermisst. die Polizei geht Hinweisen auf einen zweiten Schützen nach.

Der mutmaßliche Terrorverdächtige in Norwegen hat nach Polizeiangaben ein erstes Geständnis abgelegt. Der Verdächtige gab zu, bei dem Jugendlager auf der Insel Utöya das Feuer auf Teilnehmer eröffnet zu haben, wie die Polizei am Samstag mitteilte. Bei dem Verdächtigen handele es sich um einen "christlichen Fundamentalisten" mit Kontakten zu rechtsextremen Kreisen. Es handelt sich laut Medienberichten um den 32-jährigen Anders B. Breivik.

Die Ermittler gingen eigenen Angaben zufolge unter Hochdruck Hinweisen auf einen zweiten Schützen nach, der an dem Blutbad auf der Insel beteiligt gewesen sein könnte. Vier bis fünf Menschen wurden demnach auf Utöya noch vermisst.

Bei dem verheerenden Anschlag in Oslo und dem Blutbad in einem Jugendlager kamen insgesamt mindestens 94 Menschen ums Leben.

Das volle Ausmaß der Anschläge vom Freitag wurde erst Stunden später bekannt. Zunächst war im Regierungsviertel von Oslo eine Bombe explodiert, dabei starben sieben Menschen. Wenig später wurden in einem Jugendlager der regierenden sozialdemokratischen Partei auf der Insel Utöya mindestens 87 Menschen getötet. Die Polizei erklärte, es gebe viele Schwerverletzte, die Zahl der Todesopfer könne daher noch steigen. Im Wasser wurde außerdem nach weiteren möglichen Opfern gesucht. Auf der Insel wurde mindestens ein nicht explodierter Sprengsatz gefunden. Es befanden sich rund 600 junge Menschen auf der Insel Utöya, als der Angreifer gegen 17.00 Uhr das Feuer eröffnet.

Offenbar keine Deutschen unter den Toten

Bei den Anschlägen sind offenbar keine Deutschen getötet worden. "Bisher sind wir in der Lage, sagen zu können, dass keine deutschen Staatsangehörige unter den Opfern sind", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Samstag in Berlin. Er könne aber nicht ausschließen, dass sich diese Information noch ändere. Der Minister bot zugleich deutsche Hilfe an bei "der technischen Aufklärung" der Taten und der "Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste". Die Anschläge hätten gezeigt, "dass derartige Anschläge auch bei uns in Europa möglich sind, was wir natürlich mit unseren Sicherheitskräften, mit unserer Arbeit (...) verhindern wollen", fügte Westerwelle hinzu.

Motiv noch völlig unklar

Der 32-jährige, mutmaßliche AttentäterAnders B. Breivik erklärte nach seiner Festnahme auf Utöya, er wolle mit den Ermittlern kooperieren. Der Mann soll im Internet christlich-fundamentalistische und islamfeindliche Ansichten vertreten haben. Er wurde am Samstag vorläufig der Durchführung von Terrorakten beschuldigt. Laut der norwegischen Zeitung "Verdens Gang" bestellte er vor etwa zehn Wochen sechs Tonnen Kunstdünger, der für den Bau von Bomben verwendet werden kann.

Unklarheit herrschte am Samstag über einen möglichen zweiten Täter. Ein Polizeisprecher erklärte, es sei für eine Person nicht unmöglich, die beiden Angriffe alleine durchzuführen. Am Samstag dementierte die Polizei Medienberichte, dass sie nach weiteren Verdächtigen suche. Die Nachrichtenagentur NTB hatte zuvor gemeldet, es würden Augenzeugenberichte geprüft, wonach es auf der Insel einen zweiten Schützen gegeben haben soll.

Täter war früher Mitglied der rechtspopulistischen Partei

Das Motiv des festgenommenen 32-Jährigen lag zunächst völlig im Dunkeln, allerdings standen beide Anschlagsorte in Verbindung mit der linksgerichteten Arbeiterpartei. Er war früher Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei (FrP) und seiner Jugendbewegung. Der Tatverdächtige sei zwischen 1999 und 2006 FrP-Mitglied gewesen, teilte die Partei am Samstag mit. Zwischen 2002 und 2004 habe er eine verantwortliche Stellung innerhalb der Jugendorganisation FpU innegehabt. Die frühere Mitgliedschaft des mutmaßlichen Täters mache sie "noch trauriger", erklärte Parteichefin Siv Jensen.

Laut der in Stockholm ansässigen Expo-Stiftung, die rechtsextreme Aktivitäten überwacht, war der festgenommene Norweger seit 2009 bei einem schwedischen Neonazi-Internetforum angemeldet. Auf dem Internet-Portal namens Nordisk ist demnach ein breites Rechtsaußen-Spektrum vertreten - von Abgeordneten der rechtspopulistischen Schwedendemokraten bis hin zu Neonazis.

Der Bombenanschlag hatte sich in der Nähe des Sitzes der sozialdemokratischen Regierung ereignet. Ministerpräsident Stoltenberg hätte am Samstag eine Rede in dem Lager der Parteijugend auf der norwegischen Insel Utoya halten sollen, wo sich das Blutbad ereignete.

Außerhalb eines Hotels, in dem sich Stoltenberg am Samstag aufhielt, wurde am Samstag ein Mann festgenommen. Er habe ein Messer bei sich gehabt, weil er sich nach eigenen Angaben nicht sicher gefühlt habe, und war deswegen aufgegriffen worden, sagte der etwa 20-Jährige. Stoltenberg hatte im Ort Sundvollen nahe Utoya die Überlebenden der Schießerei besucht. Auch das norwegische Königspaar Harald und Sonja sowie Kronprinz Haakon trafen mit Angehörigen der Opfer zusammen.

"Er kam aus dem Nichts"

Der Schütze hatte laut Polizei für das Massaker auf Utöya womöglich eine halbe Stunde Zeit, bevor das Sondereinsatzkommando eintraf. "Es dauert, so lange wie es dauert, schnell dorthin zu fahren", sagte Johan Fredriksen von der Polizei dazu. Der Täter hatte offenbar mehrere Schusswaffen verwendet.

"Er kam aus dem Nichts", sagte ein Polizist über den festgenommenen Verdächtigen. Der 32-jährige Breivik soll keine Verbindung zur rechtsextremen Szene haben und betrieb Medienberichten zufolge eine Gemüsegärtnerei. Er besaß laut NTB legal zwei Waffen und gehörte einem Schützenverein an.

Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff reagierten mit Bestürzung auf die Anschläge. Der Gesandte von Papst Benedikt XVI. in Norwegen verurteilte die Bluttaten als großen Schlag für die gesamte Bevölkerung dort. (ap/afp)