Kiel. Die Christdemokraten lassen die Koalition mit der SPD in Schleswig-Holstein platzen: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) kündigte die Auflösung des Landtags an. Das Kieler Bündnis steckte schon lange in einer Krise. Doch die SPD leistet Widerstand.
Wenige Monate vor der Bundestagswahl ist die große Koalition in Schleswig-Holstein gescheitert. Die CDU-Fraktion beschloss am Mittwochabend nach langem Streit mit den Sozialdemokraten, im Landtag eine vorgezogene Neuwahl für den 27. September zu beantragen. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen äußerte sich tief frustriert über den bisherigen Partner. Sein Vorhaben stößt allerdings auf Widerstand in der SPD, die sich zur Koalition bekannte. Ohne die Stimmen der SPD-Fraktion kommt die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande.
Hauptstreitpunkte zwischen den Parteien waren die Lage bei der staatlichen HSH Nordbank und ein geplantes Sparprogramm. «Angesichts des Verhaltens der SPD unter Führung ihres Landesvorsitzenden Ralf Stegner in den letzten Wochen und Monaten sehe ich keine Perspektive mehr», erklärte CDU-Landeschef Carstensen. Die vorgezogene Wahl soll nach Vorstellung der CDU parallel zur Bundestagswahl stattfinden.
Carstensen: "Nicht mehr hinnehmbar"
Carstensen äußerte sich tief enttäuscht über Stegner. «Was ich in den letzten Wochen erlebt habe, ist nicht mehr hinnehmbar.» Sollte die SPD dem Antrag nicht zustimmen, müsse sie die Verantwortung dafür übernehmen, dass Schleswig-Holstein in der größten Wirtschaftskrise seiner Geschichte gelähmt bleibe.
Davon zeigt sich Stegner unbeeindruckt. «Es gibt keinen Grund für die Auflösung des Landtages oder Neuwahlen», betonte er. Die SPD werde deswegen den Antrag der CDU geschlossen ablehnen. «Wir werden uns nicht auf solche wahltaktischen Spiele einlassen.»
Die Union bekommt für ihre Pläne Unterstützung aus der gesamten Opposition, nämlich von Grünen, FDP und Südschleswigschem Wählerverband (SSW). «Wir wollen jetzt reinen Tisch. Wenn die SPD nicht zustimmt, muss Carstensen die Vertrauensfrage stellen», sagte Grünen-Fraktionsvorsitzender Karl-Martin Hentschel.
Jahr der Krise
Die SPD kann am (morgigen) Donnerstag sogar verhindern, dass das Thema am Freitag überhaupt zur Abstimmung kommt. Carstensen könnte bei einer Verweigerung der Sozialdemokraten auch seine SPD-Minister entlassen und mit einer Minderheitsregierung weiter im Amt bleiben. Für eine Neuwahl am 27. September muss es spätestens am Freitag eine Entscheidung geben, weil sonst die von der Verfassung vorgeschriebene Frist von 70 Tagen nicht mehr eingehalten werden kann.
CDU und SPD in Schleswig-Holstein standen in diesem Jahr schon mehrfach vor dem Ende der Koalition. Auslöser der jüngsten Krise waren Konflikte um die staatliche HSH Nordbank. Stegner hatte erklärt, nicht über eine Millionenabfindung für den Bankchef informiert gewesen zu sein. Die CDU sah das genau gegensätzlich. Daraufhin forderte Carstensen Stegner per Brief auf, seine Haltung zur gemeinsamen Regierung zu klären.
Die letzte Krise liegt keine vier Wochen zurück: Erst nach langem Ringen stimmte damals die SPD einem rigiden Sparkurs zu, der auch Stellenstreichungen vorsieht. Damals knickte die SPD nach Auffassung von Experten ein, um die Koalition zu retten.
Bosbach: "Ein Signal für Berlin"
CDU-Fraktionschef Johann Wadephul erklärte, auch die Arbeit auf Fraktionsebene sei zuletzt immer schwieriger geworden: «Was auf Arbeitsebene beschlossen wird, wird vom Vorsitzenden wieder eingesammelt. Und was auf Vorsitzendenebene beschlossen wird, wird anschließend hintertrieben und dementiert.»
Die CDU liegt in Umfragen seit Monaten weit vor der SPD. Den Sozialdemokraten droht bei vorgezogenen Neuwahlen in Schleswig-Holstein ein Desaster. Die beiden Parteien bildeten nach dem Wahlsieg der CDU 2005 eine große Koalition. Vorher war die SPD mit dem Versuch gescheitert, eine Koalition mit den Grünen und dem SSW zu bilden.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, erwartet nach der Entscheidung Auswirkungen auf den Bundestagswahlkampf. «Das ist auch ein Signal für Berlin», sagte er der Webseite Handelsblatt.com. «Natürlich macht die Neuwahl-Entscheidung deutlich: Eine große Koalition ist auf Dauer keine Lösung.»
Ihn habe gewundert, wie lange die CDU es mit Stegner ausgehalten habe. Dieser sei unberechenbar, sagte Bosbach. «Wenn man mit ihm koaliert, steht man mit beiden Füßen auf der Seife.» (ap)