Berlin. . Sie haben es sich nicht leicht gemacht. Stundenlang debattierten die Grünen auf ihrem Parteitag über den Ausstieg aus der Atomkraft. Klar, dass sie dafür sind. Aber wie? Zuletzt setzte sich die Parteiführung um Claudia Roth durch.

Das Ergebnis war eindeutiger als viele vermutet oder befürchtet hatten. Als die Entscheidung um 17.48 Uhr fiel, wurde nicht mal nachgezählt; zu klar, zu überwältigend war die Mehrheit unter den 800 Delegierten in der Berliner Messe. Bevor es zum Schwur kam, hatte die Spitze geschlossen für ein Ja geworben. Schlüsselrollen spielten Linke wie Bärbel Höhn, Rebecca Harms, Jürgen Trittin. Harms griff die Stimmung auf. „Es ist schon komisch“, so die EU-Abgeordnete, „wenn die falsche Regierung das Richtige tut.“ Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann erinnerte daran, wie einsam sie viele Jahre lang als Anti-Atom-Partei waren, „und jetzt, liebe Freunde, gewinnen wir“. Der Ausstieg sei ein immenser Erfolg. Parteichef Cem Özdemir versicherte, dass die Grünen im Bundestag zu sieben von acht Gesetzen „Nein“ sagen werden. Sie stimmen nur der Atomnovelle zu, weil dort der Ausstieg fixiert wird ? es ist die Kernfrage.

An den Grünen soll ein Konsens nicht scheitern. Wenn sie könnten, wie sie wollten, würden sie den Ausstieg aber anders machen, schneller, nicht erst 2022, sondern schon 2017.

Anti-AKW-Bewegung wollte ein Nein

Die Anti-AKW-Bewegung hätte lieber ein kompromissloses Nein gesehen. Als Christian Ströbele das Wort ergriff, da schien für ein paar Minuten alles möglich. „Wir können uns nicht auf 2022 verständigen“, rief er aus. Das sei nicht „gut genug“ - nach Fukushima. Minutelang jubelten die 800 Delegierten dem Abgeordneten zu. Sie skandierten „abschalten, abschalten“. Lange Gesichter in der Führung. Die Parteitags-Regie hat es dann aber clever eingefädelt. Auf den Altlinken folgte nämlich Renate Künast, die Berliner Spitzenkandidatin und Fraktionschefin der Grünen im Bundestag. Ein Heimspiel. „Wir kämpfen weiter“, versprach sie und fing die Kritiker wieder ein. Sie wab für Zustimmung. Und Ströbeles Rede? Verpufft.

Schon früh, nach dem Auftritt Trittins, deutete sich an, dass nichts aus dem Ruder laufen würde. Mit einem flammenden Appel schwor der Chef der Grünen-Fraktion seine Partei darauf ein, dem Atomausstieg von Schwarz-Gelb zustimmen. Trittin wird dem linken Flügel zugerechnet. Auf ihn lastete der größte Druck. Gerade er soll die Gegner des schwarz-grünen Atomausstiegs überzeugen. Es war nicht zuletzt ein Test auf Trittins Führungsfähigkeit.

Trittin: „Wir können nicht gegen unsere eigenen Anträge stimmen.“

Er kam gerade aus Japan, aus einem Land, das trotz des Atom-GAU in Fukushima aus der Kernenergie nicht aussteigt. Warum zieht nur Deutschland diese Konsequenz, fragt Trittin die Delegierten in der Berliner Messehalle.“Das liegt an uns.“ Warum ist Deutschland in der Lage, den Schalter umzulegen, einige Kraftwerke sofort vom Netz zu nehmen? Wieder klang die Antwort Trittins vertraut. An der rot-grünen Regierungszeit liege es. Seither werden erneuerbare Energien gepowert wie nie zuvor.

„Liebe Freunde“, fragte Trittin, „wie glaubwürdig wäre es, wenn wir gegen unsere eigenen Anträge und Gesetzentwürfe stimmen würden. Da kann kein Grüner Nein sagen.“ Die Hälfte der Meiler gehe sofort vom Netz. „Ich finde, Grüne müssen dafür stimmen. Alles andere ist mit meinem Verständnis von Atomkraftgegnerschaft nicht vereinbar“, hämmerte er den Delegierten ein. Wenn der Bundestag am 30. Juni endgültig über den Ausstieg entscheide, dann solle es ein „grüner Donnerstag“ werden.