Berlin. . CDU-Mitglieder aus den Ländern klagen über zuviel Beliebigkeit, Glaubwürdigkeitsverluste und zuviel Taktieren statt geistiger Führung. Der hessische Fraktionschef Christian Wagner mahnte zum Kurs finden und Kurs halten, wenn die Union wieder Erfolge feiern wollen. Der Beifall für ihn kam von vielen Seiten.
Nach den andauernden Wahlschlappen wächst bei der Union der Unmut über den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel. Am Wochenende hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, Christian Wagner, mit dem Zustand der beiden Schwesterparteien abgerechnet. „Die Lage der Union ist heute noch besorgniserregender als nach dem schlechten Bundestagswahlergebnis“, schreibt Wagner in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Der Union fehle es an der „programmatischen Erkennbarkeit“.
Der Fraktionschef führt eine lange Liste an Kritikpunkten auf, die die Unionsanhänger in ihrem Grundvertrauen erschüttert haben sollen. Er prangert die Aussetzung der Wehrpflicht an und die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat beim internationalen Militäreinsatz in Libyen. Auch die Euro-Rettung hat aus Wagners Sicht Unionswähler vergrätzt. Schelte bekommt Merkel zudem für ihren Schwenk bei der Kernenergie. Hier habe die Union ihre Erkennbarkeit verloren.
Geistige Führung gefordert
„Unberechenbar und beliebig zu werden ist für die Union eine Todsünde“, kritisiert Wagner und sagt Richtung Merkel: Nicht ein taktisches Geschäftsmodell sei gefordert, sondern geistige Führung. Wolle die Union dauerhaft Wahlen gewinnen, dann müsse sie „Kurs finden und Kurs halten“. CDU und CSU müssten sich wieder in deutlicher Abgrenzung von SPD, Grünen und der Linken für die Eigenverantwortung der Bürger, für Freiheit und soziale Marktwirtschaft, für Christentum und Nation, für Heimat, Familie und Tradition einsetzen.
Unterstützung von vielen Seiten
Mehrere Unionsgrößen sind Wagner am Wochenende zur Seite gesprungen. Saskia Ludwig, Chefin der CDU Brandenburg, warnte davor, dem Zeitgeist hinterherzulaufen. Mike Mohring, Fraktionschef im Thüringer Landtag, betonte, dass die Union nicht der eigenen Schwäche wegen nun neue Koalitionspartner suchen solle.
Der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sprach sich gegen eine Anbiederung an die Grünen aus. „Wir verschrecken immer mehr Wähler, die nicht verstehen können, warum wir uns in einen Überbietungswettbewerb mit den Grünen begeben, den wir nicht gewinnen können“, sagte Mißfelder der Welt. Die Abgeordnetenhauswahl im Herbst in Berlin hat der JU-Chef wegen des Zustands der CDU schon abgeschrieben. So sei das Rennen in Berlin offen – „leider nur zwischen Klaus Wowereit und Renate Künast“.
Zerreißprobe für die Koalition
Nicht nur innerhalb der Union kriselt es. So wird die Energiewende zunehmend zur Zerreißprobe für die schwarz-gelbe Koalition. Beim jetzigen Atomausstieg hat Merkel wenig Rücksicht auf Neu-FDP-Chef Philipp Rösler genommen. Die Liberalen wollten sich zunächst nicht auf ein spezielles Ausstiegsdatum aus der Kernkraft festlegen – und scheiterten damit ebenso wie mit ihren Vorbehalten am stufenweisen Ausstieg.
Eine Abfuhr bekam Rösler laut Bild am Sonntag auch am Freitag, als er in letzter Sekunde den Ausstieg von 2022 auf 2023 habe strecken wollen. „Am Datum wird nichts geändert“, soll Merkel kühl entschieden haben. Ein positiver Nebeneffekt für die Kanzlerin: Mit dem AKW-Aus schafft sie sich neue Bündnisoptionen mit der SPD oder den Grünen bei der nächsten Bundestagswahl.