Berlin.. Die Parteien streiten über Datum des Atomausstiegs, Verfahren und Brennelementesteuer. Hannelore Kraft ist gegen eine Hopplahopp-Entscheidung

Schon nächste Woche soll das Bundeskabinett den Atomausstieg beschließen. Ein festes Datum muss her, am besten 2021. So stellt es sich die Union vor. Kanzlerin Angela Merkel will ihre Führungskraft unter Beweis stellen. Im Ziel ist sich ihre Koalition einig, für die FDP und Wirtschaftsminister Philipp Rösler aber ist „der Weg bis dahin entscheidend“.

Rösler strebt einen zeitlichen Korridor an – und kein festes Datum. Die FDP will nachsteuern, wenn sich der Leitungsausbau verzögert oder die erneuerbaren Energien mehr Zeit brauchen sollten, um den Atomstrom zu kompensieren. Wenn man das Tempo dafür nicht beschleunige, „scheitern wir am Ende“, so FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Spekuliert wird über ein Hintertürchen, über eine Überprüfungsklausel. FDP-Chef Rösler verfolgt zwei Ziele: Netzstabilität und damit Versorgungssicherheit. Zudem müsse Energie bezahlbar bleiben.

Es ist nicht der einzige Streit, der die Koalitionsrunde gestern im Kanzleramt belastete. Die CSU und Teile der CDU wollen auf eine Brennelementesteuer verzichten. Die Abgabe machte für sie nur Sinn als Preis dafür, dass die Atommeiler länger laufen. Da dieser Plan nach dem GAU in Fukushima hinfällig geworden ist, wollen sie die Gewinne der Wirtschaft nicht zusätzlich abschöpfen. Dagegen halten die FDP und Teile der CDU am Plan fest. Warum?

Die Energiewende kostet 40 Milliarden Euro

Die Energiewende – besser: ihre Förderung – kostet nach Berechnungen der Unions-Fraktion etwa 40 Milliarden Euro. Nimmt Finanzminister Wolfgang Schäuble nun doch nichts aus der Brennelementesteuer ein, sinkt sein Spielraum. Damit würden Steuersenkungen in weite Ferne rücken – für die FDP ein Ärgernis ersten Ranges. Vermutlich müsste Schäuble auch härter sparen, nicht zuletzt bei den Sozialausgaben. Prompt schaltete sich Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) in die Debatte ein und verteidigte die Brennelementesteuer.

Sobald sie ihre Koalition auf Linie gebracht hat, will Merkel die Bundesländer einbeziehen. Zwar wird die Kanzlerin die Ministerpräsidenten treffen, unklar aber ist, wie die Regierung das Ausstiegsgesetz formuliert. Wird es zustimmungspflichtig, oder versucht die Koalition den Bundesrat zu umgehen? Für NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft wäre das ein „Vertrauensbruch“. Vor allem verfolgt sie landesspezifische Interessen. Für „völlig überzogen“ hält sie es, Offshore-Windparks in der Nordsee mit fünf Milliarden Euro zu fördern. Im „Spiegel“ machte sie auch klar, dass wir die Kohle noch über Jahrzehnte „als Brücke benötigen“.

Derweil forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel von der Regierung, dem Rat der Ethikkommission zu folgen. Die glaubt, dass der letzte Meiler in zehn Jahren abgeschaltet werden kann. Spätestens. „Ich fürchte, dass der alte Grundsatz ,Sorgfalt vor Schnelligkeit’ in diesem Fall nicht gilt und wir hopplahopp Entscheidungen treffen, die die Strukturen in unserem Land tiefgreifend verändern – nur weil Frau Merkel und die CDU unter Druck sind", hält Kraft dagegen.