Washington. . IWF-Vizedirektor John Lipsky führt nach dem Rücktritt von Dominique Strauss-Kahn vorert die Geschäfte. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger dürfte sich hinziehen. Strauss-Kahn selbst wies zur Sex-Affäre noch einmal die Anschuldigungen zurück.

Kurz vor Ende seiner Amtszeit ist John Lipsky auf den Chefsessel des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgerückt: Der US-Finanzexperte ist seit 2006 stellvertretender Direktor der mächtigen Finanzinstitution. Nach der Festnahme von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und dessen Rücktritt führt er jetzt bis auf Weiteres die Amtsgeschäfte.

„Ich möchte meine ganze Stärke, meine ganze Zeit und all meine Energie verwenden, um meine Unschuld zu beweisen“, begründete Strauss-Kahn seinen Rücktritt. Zudem wolle er den IWF schützen. Dem 62-Jährigen wird sexuelle Nötigung und Freiheitsberaubung einer Hotelangestellten vorgeworfen. Der Währungsfonds verliert seinen Geschäftsführenden Direktor mitten in der europäischen Schuldenkrise. Der IWF kündigte an, in „naher Zukunft“ über den Prozess zur Auswahl eines neuen Chefs zu informieren.

Bereits vor dem Rücktritt war die Diskussion über einen Nachfolger voll entbrannt. Der niederländische Notenbankgouverneur Nout Wellink brachte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet als Kandidaten ins Spiel. Trichet wäre ein „fantastischer Kandidat“, sagte Wellink im niederländischen Fernsehen. Auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde wäre nach Ansicht ihres schwedischen Kollegen Anders Borg eine gute Wahl für den Posten. Lagarde habe eine sehr starke Führung in der Gruppe der Euro-Finanzminister und der Gruppe der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) gezeigt, sagte Borg der Nachrichtenagentur Reuters.

Berlin wünscht sich wieder einen Europäer

Die Bundesregierung und die EU-Kommission hatten sich für den Fall des Rücktritts bereits für einen Europäer auf dem IWF-Chefsessel ausgesprochen und damit Schwellenländer herausgefordert, die den traditionellen Anspruch Europas auf den Posten knacken wollen. China, Brasilien und Südafrika drängen auf einen neuen Ansatz bei der Nachfolgersuche. China bekräftigte, die Auswahl der neuen IWF-Führung solle auf den Prinzipien der „Leistung, Transparenz und Fairness“ erfolgen. Grundsätzlich glaube China, dass Schwellen- und Entwicklungsländer in Spitzenpositionen vertreten sein sollten, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums.

Der finanzpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Klaus-Peter Flosbach, hat die Bundesregierung aufgefordert, sich für einen Deutschen an der Spitze des IWF einzusetzen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sollte von jemandem geführt werden, der mit den europäischen Verhältnissen vertraut sei, begründete Flosbach seinen Vorstoß am Donnerstag bei „Handelsblatt Online“. Aus dem Ministerium des Bundesfinanzministers Schäuble hieß es, der Nachfolger solle aus Europa kommen.

Brasiliens Finanzminister Guido Mantega wiederholte, der nächste IWF-Chef solle auf Grundlage seiner Eignung und nicht seiner Nationalität ausgewählt werden. Mexiko und Japan sprachen sich für einen offenen Auswahlprozess aus.

Schuldenkrise nicht in Sicht

Eine Übereinkunft zwischen den Europäern und den USA hat seit der Gründung des IWF im Jahr 1945 dafür gesorgt, dass ein Europäer das Washingtoner Institut leitet - vier Mal war dies bereits ein Franzose. Im Gegenzug benennen die Amerikaner bislang immer den Chef der Schwesterorganisation Weltbank.

Auf den nächsten IWF-Chef warten große Herausforderungen. Ein Ende der europäischen Schuldenkrise ist noch lange nicht in Sicht, und auch in den USA verschärft sich die Haushaltslage kontinuierlich weiter. In vielen Schwellenländern dagegen droht wegen rasantem Wirtschaftswachstum Inflation. Große Schwellenländer kämpfen seit geraumer Zeit darum, dass sich ihre wachsende wirtschaftliche Bedeutung in der IWF-Organisation widerspiegelt. rtr/afp