Tokio/Essen. . Zwei Monate nach der Havarie im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ist ein Arbeiter bei den Aufräumarbeiten ums Leben gekommen. Deutsche Kernkraft-Experten untersuchen unterdessen die Havarie-Ursache und üben Kritik an japanischen Behörden.

Ein Leiharbeiter ist am Wochenende in dem schwer beschädigten japanischen Atomkraftwerk Fukushima zusammengebrochen und gestorben. Die Betreiberfirma Tepco erklärte, der über 60 Jahre alte Mann sei beim Tragen von Ausrüstung am Samstag kollabiert. Die Todesursache sei nicht bekannt. Im Körper des Toten sei keine gefährliche Belastung mit Radioaktivität gemessen worden. Unterdessen erschütterte erneut ein Erdbeben die Region.

Tepco-Sprecher Naoyuki Matsumoto, sagte, der Mann habe bei der Arbeit in einem Entsorgungsgebäude einen Strahlenschutzanzug, Handschuhe und Atemschutz getragen. Er hatte erst einen Tag zuvor die Arbeit in dem Kraftwerk aufgenommen. Der Mann habe offensichtlich keine Verletzungen aufgewiesen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Ein weiterer Mann in der Nähe habe keine gesundheitlichen Auffälligkeiten gezeigt. Zwei junge Arbeiter waren vor zwei Monaten durch den Tsunami selbst ums Leben gekommen, als dieser das Atomkraftwerk überspülte und die Gebäude samt der Anlagen schwer beschädigte.

In dem Gebäude, in dem nun der Arbeiter zusammenbrach, wird radioaktiv kontaminiertes Wasser gelagert, das nach dem Erdbeben und Tsunami vom 11. März aus den Reaktoren des Atomkraftwerks ausgetreten war. Aus der Anlage Fukushima-Daiichi tritt noch immer Radioaktivität aus.

Atomkraftwerk Hamaoka nach Erdbeben heruntergefahren

Rund 100 Kilometer von Fukushima entfernt ereignete sich am Samstag ein Erdbeben. Die US-Erdbebenwarte in Golden im US-Staat Colorado gab die Stärke mit 6,2 an. Das Epizentrum habe sich vor der Ostküste der japanischen Hauptinsel Honshu 93 Kilometer von Fukushima entfernt befunden. Das Beben fand gegen 8.35 Uhr Ortszeit (1.35 Uhr MESZ) statt.

Der Versorger Chubu Electric teilte mit, man habe am Samstag das Atomkraftwerk Hamaoka in Shizuoka vollständig heruntergefahren. Der Betrieb werde erst wieder aufgenommen, wenn neue Sicherheitsmaßnahmen installiert seien, darunter eine riesige Schutzmauer, die die Anlage vor Tsunamis schützen soll. Die Arbeiten werden nach Angaben von Chubu mehrere Jahre dauern. Das Atomkraftwerk Hamaoka gilt als das am stärksten durch Erdbeben gefährdete des Landes.

Essener Kerntechniker geben japanischen Behörden Schuld an AKW-Havarie

Die durch einen Tsunami ausgelöste Havarie des japanischen Atomreaktors Fukushima ist nach Einschätzung deutscher Kerntechniker fast ausschließlich auf eklatante Versäumnisse japanischer Aufsichtsbehörden zurückzuführen. Das ist das Ergebnis einer bislang unveröffentlichten Studie des Technischen Verbandes der Kraftwerksbetreiber, VGB PowerTech, wie die „Welt am Sonntag“ berichtet. Die Untersuchung mit dem Titel „Unterschiede im gestaffelten Sicherheitskonzept: Vergleich Fukushima Daiichi mit deutschen Anlagen“ soll auf der „Kerntechnischen Jahrestagung“ der deutschen Atomindustrie am Dienstag in Berlin vorgestellt werden.

Ludger Mohrbach, Leiter des Bereichs Kernkraftwerke beim VGB PowerTech in Essen, habe für seine Studie historische Tsunami-Daten ausgewertet. Danach habe es in den vergangenen gut 500 Jahren vor Japan 14 Tsunamis mit Wellenhöhen über zehn Meter gegeben, im Durchschnitt also alle 36 Jahre einer. Japanische Atomkraftwerke seien jedoch nur für maximal zehn Meter hohe Wellen ausgelegt. Auch der Tsunamischutz von Fukushima beschränkte sich auf diese Wellenhöhe. Nach statistischer Wahrscheinlichkeit drohe damit alle 30 bis 35 Jahre die durch einen Tsunami ausgelöste Havarie eines japanischen Atomkraftwerks an der Küste.

Den Grund für die fahrlässige Vernachlässigung des Küstenschutzes bei japanischen AKW sieht Mohrbach im Schlendrian der Behörden: Weil die ältesten Atomkraftwerke Japans, zu denen auch Fukushima gehört, von US-Herstellern stammen, sei von den japanischen Auftraggebern auch die in den USA übliche Sicherheitsauslegung gegen Meereswellen quasi mit importiert worden. Doch die fiel denkbar schwach aus: „Weil es in den USA keine Tsunamis gibt“, sagt Mohrbach: „Am Ende ist es so trivial.“ (dapd)